HYBRID Box – Modular Gallery for Digital Arts
10.09. – 01.10.2023 Total Refusal – Hardly Working
Die vier-Kanal-Videoinstallation rückt Charaktere in den Vordergrund, die sonst in Videospielen in den Hintergrund treten: NPCs („non playable characters“) sind nicht spielbare Charaktere, die hyperreale Welten bevölkern, um den Anschein von Normalität zu erzeugen. Normalerweise spielen diese digitalen Statisten keine größere Rolle in der Geschichte des jeweiligen Spiels. In Hardly Working werden jedoch eine Wäscherin, ein Stallknecht, ein Straßenkehrer und ein Handwerker aus dem Computerspiel „Red Dead Redemption 2“ zu den Hauptfiguren. Mit ethnografischer Präzision beobachten die vier Filme ihre tägliche Arbeit: ein Rhythmus aus Endlosschleifen, der sie täglich und unermüdlich arbeiten lässt.
In Anlehnung an Hannah Arendts Beschreibung des „animal laborans“ – im Gegensatz zum handelnden Subjekt – sind die NPCs als Individuum eine Übertreibung, da ihre Arbeiten lediglich ihren Status manifestieren. NSCs führen sogenannte „Surrogat-Handlungen“ aus, die keinen weiteren sozialen Nutzen erbringen. Ihre Handlungen werden vielmehr um des Scheins willen ausgeführt und durchgesetzt, um so eine soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. NPCs sind digitale Sisyphos-Maschinen, die keine Perspektive haben, aus ihren Handlungsschleifen auszubrechen. In den Momenten, in denen der Algorithmus ihrer Existenz Ungereimtheiten aufweist, brechen die NPCs aus der Logik jener totalen Normalität aus und zeigen ihre eigene Fehlerhaftigkeit und wirken so rührend menschlich.
Total Refusal, ein Kollektiv aus den Künstler:innen, Forscher:innen und Filmemacher:innen Susannna Flock, Adrian Haim, Jona Kleinlein, Robin Klengel, Leonhard Müllner und Michael Stumpf, interveniert als pseudo-marxistische Medienguerilla in aktuellen Videospielen und veröffentlicht Texte über Games und Politik. Das offene Kollektiv kritisiert bestehende Games-Praktiken und eröffnet mit Werkzeugen der Aneignung und Umwidmung von Spielressourcen eine neue Perspektive auf das Genre.
Seit der Gründung des Kollektivs 2018 wurde dessen Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und auf mehr als 130 internationalen Film- und Videofestivals sowie in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, u. a. auf der Berlinale, am BFI London, der Doc Fortnight at MoMA, NY, im HEK Basel, der Ars Electronica und der Venedig Biennale 2021.
Text, Regie und Konzept: Susanna Flock, Robin Klengel, Leonhard Müllner, Michael Stumpf
Musik: Adrian Haim
Erzählung: Jacob Banigan und Lorenz Kabas
Lead Editing: Robin Klengel, zusätzliche Bearbeitung: Susanna Flock, Leonhard Müllner
Kamera: Robin Klengel, Leonhard Müllner
Modding: RCPisAwesome
Besetzung: A_F_M_Asbtownfolk_02 als „Der Straßenkehrer“, A_F_M_SDSlums_02 als „Die Wäscherin“, A_M_M_NBXDockworkers_01 als „Der Zimmermann“, A_M_M_VALLaborer_01 als „Der Stallknecht“
Die Arbeit wurde im Rahmen des European Media Art Platforms Residency Programms bei Werkleitz mit Unterstützung des Creative Europe Culture Programms der Europäischen Union und in Koproduktion mit dem Kunsthaus Graz realisiert. Kofinanziert von Land Steiermark und dem Kunstraum Steiermark Stipendium.
Zukünftige Ausstellungen
Die Multimedia-Installation basiert auf der iBorderCtrl-Software, einer Art Lügendetektor zur Bewertung von Mikroausdrücken auf den Gesichtern von Migrant:innen bei der Einreise in die EU. In „The Irresistible Powers of Silent Talking” manipuliert Andrius Arutiunian dieses auf künstliche Intelligenz gestützte System und stellt dabei den Begriff der Grenzgewalt in Frage.
Laufzeit der Installation: 06.07. – 04.09., jeweils ab einer Stunde vor und nach den Veranstaltungen im Festspielhaus
Das Video-Diptychon ist eine poetische Erzählung über die Geschichte des Sehens. Die Protagonisten und historischen Persönlichkeiten Étienne-Gaspard Robert (Entwickler der Phantasmagoria) und Jan Evangelista Purkyně (Entdecker des Augenleuchtens) treten als weibliche bzw. androgyne/geschlechtslose Zombie-Figuren auf und versammeln in ihrer Erscheinung die symptomatische Symbolik des posthumanen und nicht-maskulinen Blicks.
Laufzeit der Installation: 09.11. – 10.12., jeweils ab einer Stunde vor und nach den Veranstaltungen im Festspielhaus
Vergangene Austellungen
Die Installation „Dual“ ist eine künstlerische Interpretation zu unendlichen Mengen in der Mathematik. Der Medienkünstler Robin Woern übersetzt den Umstand, dass sich zwischen Null und Eins eine unendliche Zahlenmenge aufspannt, in eine differenzierte ästhetische Form. Zwei Zylinder eröffnen einen sichtbaren Zwischenraum. Die Vorstellung, dass in diesem begrenzten Dazwischen eine Unendlichkeit liegen kann, bleibt jedoch abstrakt. Komplettiert wird die Installation von elektronischen Klängen des Dresdner Künstlers Jacob Korn (Uncanny Valley). Minimalistische Komposition und Schlichtheit der Skulptur spiegeln sich gegenseitig und schaffen so eine sphärische, artifiziell wirkende Umgebung.
Über den Künstler
Robin Woern (*1993 in Böblingen) ist Medienkünstler und Gestalter. Er hat an der HfG Schwäbisch Gmünd Kommunikationsgestaltung und an der UdK Berlin Visuelle Kommunikation studiert. Derzeit lebt und arbeitet er in Berlin, außerdem ist er Meisterschüler bei Prof. Carsten Nicolai an der HfBK Dresden. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit der Visualisierung von Daten, Rauschen und (nicht-)menschlichen Interaktionen.
Credits
Musik:
Jacob Korn – Dual I [13:04] Stereo File, 2023
Jacob Korn – Dual VI [04:18] Stereo File, 2023
Support: Georgianna Manafa, Luisa Roth, Thomas Schmelzer, Ralf T., Niklas Thran
Die Ausstellung wird präsentiert von PYLON und ist gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Die HYBRID Box präsentiert mit „Sunken Cities“ eine immersive Videoinstallation der litauischen Künstlerin und Filmemacherin Emilija Škarnulytė. In einer menschenleeren Landschaft erscheint die mythologische Figur der Sirene, die „für die Magie und das Geheimnis der Quantenmechanik steht“ (Roger Penrose) und als Vermittlerin zwischen Natur und Technik auftritt.
Die Meerjungfrau erweckt den Eindruck als sei sie aus der Zukunft zurückgekehrt, um versunkene Städte und technologische Ruinen zu erkunden. Die Videoarbeit entwirft einen retro-futuristischen Blick auf unseren Planeten, eine Perspektive aus einer Zeit, in der Menschen bereits ausgestorben sind und die Natur die Macht übernommen hat — oder wie Škarnulytė es ausdrückt: „die Ruinen der menschlichen Aktivität aus einer fernen Zukunft gesehen“.
In einer Kombination aus Dokumentarfilm und Fiktion reflektiert Škarnulytė die unsichtbaren Beziehungen zwischen der physischen Welt und unserem sozialen Vorstellungsvermögen. So lenkt sie den Blick auf die unmittelbare Gegenwart und die bevorstehenden ökologischen Herausforderungen sowie die Frage nach der Zukunft unserer Spezies.
Laufzeit der Installation: 16.06. – 02.07., jeweils ab einer Stunde vor und nach den Veranstaltungen im Festspielhaus
Über die Künstlerin
Škarnulytė erhielt einen Bachelor-Abschluss von der Brera Academy of Art in Mailand und hat einen Master-Abschluss von der Tromsø Academy of Contemporary Art.
Sie ist Gewinnerin des Future Generation Art Prize 2019 und vertrat Litauen auf der XXII. Triennale di Milano. 2018 war sie Teil des baltischen Pavillons auf der Architekturbiennale von Venedig. Neben Einzelausstellungen in der Tate Modern (2021), im Kunsthaus Pasquart (2021), in Den Frie (2021), in der National Gallery of Art in Vilnius (2021), im CAC (2015) und im Künstlerhaus Bethanien (2017) nahm sie an Gruppenausstellungen im Ballroom Marfa, im Seoul Museum of Art, in der Kadist Foundation und auf der ersten Riga Biennale teil. Im Jahr 2022 nahm Škarnulytė an der Gruppenausstellung Penumbra teil, die von der Fondazione In Between Art Film anlässlich der 59. Biennale von Venedig organisiert wurde. Zu ihren zahlreichen Preisen gehören der Kino der Kunst Project Award, München (2017), der Spare Bank Foundation DNB Artist Award (2017) und der Nationale Litauische Kunstpreis für junge Künstler (2016)), und aktuell wurde sie für den Ars Fennica Kunstpreis 2023 nominiert. Ihre Filme befinden sich in den Sammlungen des IFA, der Kadist Foundation und des Centre Pompidou und wurden in der Serpentine Gallery (Großbritannien), im Centre Pompidou (Frankreich) und im Museum of Modern Art (New York) sowie auf zahlreichen Filmfestivals gezeigt, darunter in Rotterdam, Busan und Oberhausen. Vor kurzem beendete sie ihre Aufenthalte bei Art Explora und Cite des Art, die auf einen weiteren bedeutenden Aufenthalt im MAK Zentrum für Kunst und Architektur folgten. Sie ist Mitbegründerin und derzeit Co-Leiterin von Polar Film Lab, einem Kollektiv für analoge Filmpraxis in Tromsø, Norwegen, und Mitglied des Künstlerduos New Mineral Collective, das kürzlich von der ersten Toronto Biennale mit einem neuen Werk beauftragt wurde.
Credits
Die Ausstellung wird präsentiert von PYLON und ist gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Die Videokünstlerin Eli Cortiñas verwendet in ihren Arbeiten gefundenes Material aus Filmen, YouTube-Videos, Werbung, Animationen und Bildarchiven, welches sie vervielfacht, rhythmisiert und neu vertont. In dem bildgewaltigen Video-Essay Walls Have Feelings (2019) befasst sie sich unter anderem mit den Konzepten von Arbeit und Wertschöpfung. Cortiñas entwirft ein dystopisches Bild unserer Gegenwart, das historische, politische und ästhetische Aspekte miteinander verknüpft. Dabei befragt die Künstlerin Architektur als Erscheinungsform und Instrument politischer Macht, sowie die Rolle vermeintlich unschuldiger Objekte und Interieurs in ihrer Funktion als stumme Zeugen, Bewahrer und Verstärker von Macht.
Die erzählerische Ausgangssituation könnte aktueller kaum sein: Weit in der Zukunft und nach einer schweren Katastrophe befindet sich ein Chor mit teilweiser Amnesie im Gespräch mit sich selbst und einem Cyborg. Aus ihren trüben Gedächtnissen erheben sich Heimsuchungen, individuelle wie kollektive Erinnerungen an echte und ersehnte Ereignisse. Plötzlich finden sie sich in der wüsten Kultur-Landschaft einer verlassenen und zerfallenen Opernbühne wieder und der Chor meint endlich zu wissen, wer er sei: ein aufständischer Chor mitten in einer Grand Opéra, die 1830 eine Revolution und die Gründung Belgiens ausgelöst haben soll. Wohin mit diesen historischen Wendepunkten und utopischen Sehnsüchten angesichts einer Gegenwart, die Zukunft nur als Katastrophe denkt?
Credits
Im Rahmen der 31. Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik
Eine Kooperation des NRW KULTURsekretariats und des Next Level Festival for Games mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste
Gamedesign, Regie und Animation: Michael v. zur Mühlen
Raum und Ausstattung: Martin Miotk
Musik: Ole Hübner
Text: Thomas Köck
Kamera und Schnitt: Stefan Bischoff
Sounddesign: Martin Recker und Paul Hauptmeier
Entwickelt in Zusammenarbeit mit LEFX GmbH aus Leipzig
Mit Bild und Tonaufzeichnungen von Michael Taylor, Robert, Michael Zehe, Chor der Oper Halle, Kinder- und Jugendchor der Oper Halle, Staatskapelle Halle.
MDR KLASSIK Produktion von Auszügen der Oper, September 2020 in Halle
Musikalische Leitung: Michael Wendeberg
Tonmeister: Michael Leverkus
Das zugrunde liegende Werk „opera, opera, opera! revenants&revolutions“ ist ein Kompositions- und Librettoauftrag der Landeshauptstadt München zur Münchener Biennale, Koproduktion der Münchener Biennale mit der Oper Halle 2020-2022
HYBRID Box präsentiert als neue modulare Galerie experimentelle und interdisziplinäre Kunst von lokalen und internationalen Künstler:innen.
Mit HYBRID wird eine neue internationale Plattform der Künste im digitalen Zeitalter und kritischen Phasen globaler Transformationsprozesse etabliert, gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
HYBRID Box ist ein Projekt in Kooperation mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste und PYLON kuratiert von PYLON mit Unterstützung von GRAFT Architects.
Technische Leitung: Tobias Blasberg
Produktionsleitung: Michael Lotz