Pauchi Sasaki; Foto: Bart Michiels

On Kinships and Twins, #1 – 2022

Am 7. Juni 2022 wird das junge Klavierduo der Zwillingsschwestern Clara und Marie Becker im Großen Saal des Festspielhauses Hellerau ein neues Werk der japanisch-peruanischen Komponistin Pauchi Sasaki uraufführen. Ein weiterer Höhepunkt des Konzerts ist „Les enfants terribles“ für zwei Klaviere von Philip Glass, das ein neues Kapitel in der besonderen Beziehung zwischen dem legendären Komponisten und dem nicht minder berühmten Klavierduo von Katia und Marielle Labèque markiert. Ist es doch gewissermaßen der Nachfolger zu Glass’ Doppelkonzert für Klavier, das dieser eigens für die beiden Schwestern komponierte.

Auch Pauchi Sasaki und Philip Glass verbindet eine besondere Beziehung: Sasaki, die als Kind japanisch-stämmiger Eltern in Lima aufwuchs und dort die Deutsche Schule besuchte, lernte schon mit fünf Jahren, Geige zu spielen. Die zierliche Frau, die ursprünglich Journalistin werden wollte, hat inzwischen zwei Soloalben herausgebracht und die Musik zu mehr als 30 Filmen geschrieben – und wurde im Rahmen der „Rolex Mentor und Meisterschüler Initiative“ mehr als ein Jahr von Philip Glass betreut.

„Er reist ständig“, erzählt Sasaki, „und er kollaboriert mit lauter verschiedenen Künstler:innen innerhalb einer einzigen Woche, spielt Konzerte – und schafft es nebenbei noch, Musik zu schreiben. Einmal waren wir zum Mittagessen verabredet, und als er ankam, sagte er: ‚Ich habe die ganze Nacht mit Komponieren verbracht.‘“ Als Glass noch jünger war, arbeitete er zu festen Zeiten in 4-Stunden-Intervallen: „Manchmal hatte ich nachts eine Idee und sagte mir dann: ‚Ich stehe jetzt nicht auf. Ich komponiere nur morgens. Die Muse kommt, wenn ich soweit bin.‘ Dies ist inzwischen je doch nicht mehr so. Wenn ich nicht schlafen kann, stehe ich auf, gehe nach unten und komponiere eine Weile.“

Die beiden trafen sich in Paris, Japan, Rumänien und Kalifornien. Doch erst in New York City konnte sich die Beziehung zwischen Mentor und Meisterschülerin richtig entwickeln. Glass, inzwischen eine Institution im East Village, lebt dort seit einigen Jahrzehnten. „Oft passiert es, dass ihm eine Anekdote einfällt, während wir uns unterhalten oder Tee trinken oder er sich ein Sandwich macht“, erzählt Sasaki – Anekdoten, die sehr viel über Glass, aber auch grundsätzlich über das Komponieren erzählen. Glass hat 22 Sinfonien, über 20 Opern, Konzerte, Filmmusik, Streichquartette und zahlreiche Solokonzerte für Klavier und Orgel geschrieben. Sowohl Sasaki als auch Glass fordern mit ihrer Musik das Zeitgefühl der Zuhörer:innen heraus. Während Glass das Zeitempfinden bewusst durch ausgefeilte, vielschichtige und zumeist präzise repetitive Strukturen irritiert, ist die Musik von Sasaki eher freier, fließender, langsamer und gleichzeitig eindringlicher.

Glass und Sasaki verbindet außerdem ein besonderes Interesse an Filmmusik. „Hierzu kann ich noch eine Anekdote erzählen“, meint Glass mit einem breiten Schmunzeln. „Einmal war ich in L.A. unterwegs und traf zufällig jemanden auf der Straße, der gerade als Filmkomponist gefeuert worden war und sich deshalb ärgerte. Das kommt nicht selten vor, es kann zum Beispiel sein, dass beim Schnitt etwas schiefgeht. Das erste, was sie dann tun, ist den Komponisten rauszuwerfen, weil das am günstigsten ist – die Szene noch einmal zu drehen, wäre viel teurer.“ Glass hatte den Kollegen damals übrigens getröstet, indem er ihm sagte: „Mach dir nichts draus, ich werde auch ständig gefeuert.“  

Textfassung nach einem Interview von Steven Thrasher 

07.06.2022 
Katia & Marielle Labèque, Klavier 
Clara & Marie Becker, Klavier 
Claude Debussy: „Six épigraphes antiques“ für zwei Klaviere 
Franz Schubert: Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen D 940 
Pauchi Sasaki: „ARTEMIS: Recitative“ Uraufführung einer Auftragskomposition für zwei Klaviere und Elektronik 
Philip Glass: „Les enfants terribles“ Suite für Klavier zu vier Händen (arr. von Michael Riesman)  

Konzert in Kooperation mit den Dresdner Musikfestspielen. Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Mit freundlicher Unterstützung von ROLEX sowie der Stiftung Kunst und Musik für Dresden.