CYNETART 2020 Motiv, Foto: PR CYNETART

CYNETART – VORTEX – Ulf Langheinrich, #2 – 2020

„Ich denke, erlebte Wirklichkeit ist eine Halluzination. Wirklich ist sie nicht dadurch, dass sie physikalisch stimmt, sondern dadurch, dass wir das Erleben glauben. Träume etwa sind geeignet, eine so überzeugende Wirklichkeitshalluzination zu generieren, dass diese unabhängig von Physik als echt erlebt wird. Es scheint, als sei die Generierung von wirklichkeitsgleichen Vexiermustern, mit immer diskreteren Pixeln, immer schnelleren Bildsequenzen, in immer höherer Ausdifferenzierung, das eine Ziel, in dem sich ästhetische und technologische Forschung einig sind: die Approximation des Virtuellen an die Glaubwürdigkeit des Traumes. Wenn die Granularität der generierten Muster an der Systemgrenze menschlicher Sinne als solche nicht mehr erkennbar ist, wenn ein VR-Environment endlich die menschliche Enttäuschungsfähigkeit überwältigt hat und die Halluzination als nie zuvor erlebte Wirklichkeit überzeugt, dann rufe ich mir entzückt zu: Ich träume nur.“ (Ulf Langheinrich)

Ulf Langheinrich ist wohl eher ein besessener Forscher als ein Träumer, sein Blick ist scharf, aber eben auch entrückt: „Mich interessiert die Kreation sehr spezifischer ästhetischer Zustände oder akustischer Felder, die sich durch Eigenschaften wie Temperatur, Konsistenz oder Viskosität beschreiben lassen. Die Arbeit mit Tänzerinnen und die Präsentation von Abbildungen menschlicher Emotion in Gesicht und Körper werfen zusätzliche und andere Fragestellungen auf, das war schon zu Zeiten von MODELL 5 (GRANULAR-SYNTHESIS 1994) so. Seitdem geht es mir immer auch um Identifikation und Projektion, um Sexualität und Sterblichkeit, das trifft jedenfalls in meinen Arbeiten so zu. In Bildern ist alles das tot, was unsterblich werden sollte, erloschen im Moment der Bilderzeugung. Ihre Erzeugung ist ein vampiristischer Akt. Eine Anmaßung. Ich versuche durch eine Art von Auflösung des Gemeinten ein Bild hinter den Bildern zu destillieren, zu raffinieren. Dieser Versuch ist immer ein vergeblicher! Insofern sind gerade jene Arbeiten, die mit menschlichem Abbild operieren, auch Arbeiten über Verlangen und Scheitern.“ Wenn sich in den Arbeiten von Ulf Langheinrich das Interesse vor allem auf die Materialität der Medien, auf ihre Physik, auf Fragen zu Konsistenzen und Konsistenzveränderungen richtet, so sind ihm doch auch Kontexte, soziale Settings und Gesten von zentraler Bedeutung: „Die unterschiedlichen Auflösungserscheinungen, die im Rahmen von VORTEX verhandelt werden, spiegeln gesellschaftliche Prozesse der Gegenwart wider. Es scheint, als werde zu Beginn noch eine Ikonisierung des exotischen Anderen problematisiert, präsentiert als kollektive (weibliche) Multitude. Doch die sich vollziehende Überwindung des Menschlichen und dann des Körperlichen evoziert völlig andere Themen. Eigentlich geht es um Vereinzelung und Isolation. Um Verlust als zentrale Erfahrung des Seins in der Welt. Vor allem geht es um den Verlust des Vertrauens in die Richtigkeit des Gewussten. Und es geht um Nicht-Verstehen, um Nicht-Verstehen-Wollen als Akt der Emanzipation von der Geschwätzigkeit des Seins.“ Die Uraufführung von VORTEX ist ein interdisziplinäres, internationales Projekt: eine Kollaboration zwischen den Städten Le Havre, Maubeuge, Dresden und Bochum. VORTEX findet als hybrides Bühnenereignis statt, das unterschiedliche Künste miteinander reagieren lässt, um neue ästhetische Formen zu generieren. Die mesmerisierende Wirkung von Ulf Langheinrichs Licht- und Bildwelten in eine tanzbare Live-Choreografie zu transcodieren, ist die Leistung der jungen italienischen Künstlerin Maria Chiara de’Nobili, die derzeit ihren Masterabschluss für Choreografie an der Palucca Hochschule in Dresden vorbereitet. Ulf Langheinrich, 1960 in Wolfen geboren, verließ 1984 die damalige DDR. In Wien gründete er 1991 zusammen mit Kurt Hentschläger GRANULAR-SYNTHESIS. Das Duo schuf wegweisende monumentale Multimedia-Installationen und Performances. Danach als Solokünstler international erfolgreich, lebte er lange Zeit in Ghana und Hongkong, seine Arbeiten werden weltweit präsentiert. Seit 2016 ist er Künstlerischer Leiter des Festivals CYNETART in HELLERAU. CYNETART 2020 ist eine Veranstaltung der Trans-Media-Akademie Hellerau im Rahmen der Aktivitäten des Netzwerk | Medien | Kunst Dresden in Kooperation mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste sowie der SHAPE Plattform.

Fr/Sa 16./17.10. 
VORTEX 
Maria Chiara de’Nobili und Ulf Langheinrich (DE) 
www.cynetart.org
www.hellerau.org/cynetart 
Gefördert aus Mitteln der Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz sowie gesponsert durch die Ostsächsische Sparkasse Dresden und kofinanziert durch eine Plattform-Förderung aus dem Programm KREATIVES EUROPA der Europäischen Kommission.