Foto: Michelle Ettlin

Watch Out!, #1 – 2022

Achtung, Watch Out! Die zweite Ausgabe des HELLERAU-Festivals für Jung und Alt präsentiert erneut zeitgenössischen Tanz, Performance und Installationen international renommierter Choreograf:innen –nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern für alle Generationen. Die vier eingeladenen Tanz- und Performancestücke könnten nicht unterschiedlicher sein: Die Tanz-Performance „Alle Augen Staunen“ der Schweizer Künstlerin Lea Moro erkundet zwischen von der Decke baumelnden Tentakeln, hüpfenden Zelten und tropfenden Eiszapfen die sich ständig wandelnde Natur. Die in Dresden lebende deutsch-taiwanische Choreografin Fang Yun Lo und ihr internationales Team begeben sich mit „Nano Giants“ auf eine irrwitzige Slapstick-Reise von vier Freund:innen durch eine pulsierende Stadt. In der Konzert-Choreografie „Schlagsahne“ von Regina Rossi aus Hamburg verwandeln die Bandmitglieder mit ihren Instrumenten, Stimmen und Körpern die Bühne in einen von Schwingungen und Rhythmen aufgeladenen Raum, in dem sogar die Requisiten Töne erzeugen. Sie singen, spielen und tanzen sich durch verschiedene Facetten und Ambivalenzen der Wut und warnen: Es kann richtig, richtig laut werden – und Schlagsahne gibt es auch! Um selbst aktiv zu werden, entwickelt die Armada of Arts im Nancy-Spero-Saal einen Erlebnisraum und lädt das Publikum in intimer Atmosphäre zum Entdecken und Verweilen ein. In dem Stück „born to shine“ vom jungen theater basel stehen 14 Jugendliche aus Basel auf der Bühne. „Welcome, welcome, we are all born to shine“, ruft eine Stimme aus dem Nebel. Sie gehört einem Wesen im blau glitzernden Turndress und lädt uns in die Welt des „shinens“ ein. Nach acht Wochen Proben mit viel Schweiß, Muskelkater und TikTok in Real Life, wurde „born to shine“ im März 2021 im jungen theater basel geboren. Mit Regisseur Sebastian Nübling und Choreograf Ives Tuwis machten sich 14 Jugendliche zwischen 15 und 23 Jahren auf die Suche nach den Möglichkeiten der digitalen Welt, eigenen „shine“-Momenten und großen Fragen in einer Welt der Reizüberflutung, in der man schon mal untergehen kann. Wir haben die jungen Performer:innen nach ihren Erfahrungen bei den Proben und Aufführungen gefragt. 

„Das erste Mal ohne Maske auf der Bühne zu stehen, hat zu vielen Lachflashs geführt. Da muss man zuerst mal wieder sein Gesicht unter Kontrolle kriegen.“  

„Wenn du einen halben Probentag nur rückwärtslaufen übst, ist dir irgendwann mal kotzübel.“  

„Die Panik, wenn du wieder einmal nicht das richtige Smartphone findest und im Dunkeln hin und her rennst, weil du jetzt eigentlich ein TikTok machen musst. Warum haben wir auch alle das gleiche Modell?“  

„Wenn wir wieder auf den Stühlen sitzen und Nachrichten schreiben und Dylan beginnt zu singen. Genau da gibt es einen winzigen Moment, in dem ich mich einsam fühle. Wenn man wieder ins Handy hineingezogen wird. Dort sind wir ja eigentlich alle zusammen, aber auch mega alleine. Das ändert sich dann, wenn wir alle zusammen Musik machen, das finde ich cool.“  

„Ich habe mich versucht ins Lampenfieber hineinzudenken, das tut so richtig gut, wenn man nervös ist. Dann merkt man, dass man am Leben ist.“  

„Manchmal stehe ich im Dunkeln hinter dem Stuhl und beobachte das Publikum. Dann fühle ich mich wie ein kleines Kind, das durch den Vorhangspalt späht um zu schauen, wer alles dort sitzt.“  

„Ich verstehe nicht, dass es darum geht, zu scheinen, aber dann gar nicht alle scheinen. Nicht diesen Spot haben. Dass es manche gibt, die viel mehr scheinen. Die penetrant scheinen. Es gibt ja auch vieles, wo die Leute nicht im klassischen Sinn scheinen. Zum Beispiel ruhig und introvertiert scheinen. Warum wird das nicht gezeigt?“ 

„Also ich finde, ein ‚moment to shine‘ ist auch, wenn wir gerade als Gruppe etwas intensiv zusammen gemacht haben. Alle scheinen auf ihre Art, manche im Stillen, manche laut. Aber zusammen am hellsten. Wir können alle in unseren eigenen Stühlen versinken, in unsere eigenen Bildschirme starren, niemand sticht heraus. Aber wir scheinen, weil wir das zusammen machen und trotzdem verbunden sind.“  

„Wenn wir im Chat schreiben, sind wir auch verbunden. Es ist eher das Gegenteil von einsam, es ist irgend – wie alleine, aber auch mega viel.“  

„Während im Satelliten das Handy um unsere Körper kreist, denke ich an Geschwindigkeit. An mein Verhältnis zu meiner Partnerin, die mir jetzt tief in die Augen schauen kann. Und dass wir beide gleich fest entscheiden können, wie wir zusammenkommen. Dass niemand dominiert. Wir auf unsere Körper hören und kommunizieren, ohne zu sprechen. Ich genieße diesen Moment sehr.“  

„Manchmal frage ich mich, woher nehm’ oder krieg’ ich jetzt die Energie für diesen Abend?“  

„Es ist voll automatisiert. Wir kommen uns näher und entfernen uns wieder. Als hätten wir einen Magnet im Bauch.“  

„Mal ist jemand unten, ein Kopf liegt auf der Schulter. Die Arme wechseln sich schwebend ab. Mal dort eine Hand, mal ein Atmen im Ohr. Endlich wieder Nähe, nach der ganzen Distanz.“  

„Es ist dieser Augenblick, in dem alles verschwimmt. Nur wir in diesem Lichtkegel. Eine Begegnung in diesem nicht existenten Raum. Keine Bühne, keine Anderen, keine Bewertung.“ 

17. –26.03.2022  
Watch Out!
Festival für Jung und Alt 
Mit Armada of Arts, Fang Yun Lo/Polymer DMT, junges theater basel, Lea Moro, Regina Rossi u.v.m. Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.