Slowakische Kulturinstitutionen & Künstler*innen unter Druck
Panel mit Matej Drlička, Soňa Ferienčíková, Michal Hvorecký, Lucia Kašiarová, Roman Samotný
Im Herbst 2023 wurde Martina Šimkovičová von der ultrarechten slowakischen Nationalpartei (SNS) als Kulturministerin eingesetzt. In nur kurzer Zeit hat sie Leitungen und qualifizierte Mitarbeiter*innen staatlicher Kulturinstitutionen willkürlich ausgewechselt, das aktuelle Fördersystem aufgehoben und verbreitet Hetze und Verschwörungstheorien gegen freischaffende Künstler*innen und Mitglieder der LGBTQI+-Community. In ihren Aussagen macht sie deutlich, dass sie eine „nationale slowakische Kultur“ durchsetzen will. Der ehemalige Direktor des Slowakischen Nationaltheaters Matej Drlička, die Choreografin und Tänzerin Soňa Ferienčíková, der Autor Michal Hvorecký, die Leiterin des Divadlo Štúdio tanca Lucia Kašiarová und der LGBTQI+-Aktivist und Gründer des Communityprojekts Tepláreň Roman Samotný schildern im Gespräch mit Markus Huber, Institutsleiter Goethe-Institut Slowakei, ihre Perspektive auf die aktuelle slowakische Kulturpolitik.
Dauer: ca. 1 Std. 30 Min.
Sprache: Slowakisch mit deutscher Simultanübersetzung
Matej Drlička studierte Klarinette an der Hochschule für Musische Künste in Bratislava. Als Orchester-Klarinettist spielte er in prestigevollen europäischen Orchestern. 2005 musste er seine Karriere als Konzertkünstler wegen einer Verletzung beenden und er begann sich dem Musikmanagement zu widmen. Seitdem wirkt er als Manager im Bereich der Kreativwirtschaft, als Dramaturg, Produzent und Veranstalter von großen Kulturveranstaltungen. 2005 gründete er das Festival Viva Musica!, das derzeit das größte und meist besuchte Sommerfestival klassischer Musik in der Slowakei ist. 2008 nahm er das Angebot der Gesellschaft Columbia Artists Management International an, die Funktion als Projektmanager des Festivals Abu Dhabi Classics in Abu Dhabi zu übernehmen. 2010 gründete er die Viva Musica! Agency, die Musikproduktionen und Projekte in der Slowakei und im Ausland veranstaltet. 2017 gründete er die Agentur VIVA EVENTS und begann mit der weltweit tätigen Streamingplattform für klassische Musik IDAGIO zusammenzuarbeiten. 2019 gründete und leitete er IXPO: Das größte Technologiefestival in der Slowakei. Von Januar 2021 bis August 2024 war er Generaldirektor des Slowakischen Nationaltheaters.
Soňa Ferienčíková ist Tänzerin, Choreografin und Gründerin der Plattform BOD.Y. Sie studierte am Eva-Jaczová-Tanzkonservatorium Bratislava, an der Prager Akademie der Darstellenden Künste, am Königlichen Konservatorium in Antwerpen und an der renommierten „Salzburg Experimental Academy of Dance“. Sie hat mit vielen nationalen und internationalen Künstler*innen zusammengearbeitet und trat in ganz Europa, in Israel, Mexiko und China auf. 2018 war sie für den DOSKY Preis in der Kategorie „Außergewöhnliche Leistung im Bereich Tanztheater“ nominiert.
Michal Hvorecky (*1976) ist ein slowakischer Schriftsteller, Übersetzer. Er lebt in Bratislava. Zuletzt auf Deutsch erschienen: Roman „Tahiti Utopia“ und Kinderbuch „Donau – ein magischer Fluss“. Hvorecky setzt sich in seiner Heimat für den Schutz der Pressefreiheit und gegen antidemokratische Entwicklungen ein.
Lucia Kašiarová ist Gründerin von Studio ALTA, einem Prager Kulturzentrum für die Bereiche Tanz und neues Theater sowie für Sozial- und Bildungsprojekte. Seit 2022 ist sie Künstlerische Leiterin des Tanzzentrums Divadlo Štúdio tanca in der Slowakei. In der Vergangenheit leitete sie das Festival HYBAJ HO für slowakischen zeitgenössischen Tanz, das Festival für Bewegungstheater und Pantomime Kašparův kolínský Mimoriál und derzeit das internationale Festival Dni Tanca/ Dance days. Sie arbeitet in verschiedenen Kultur- und Förderausschüssen in der Tschechischen Republik und der Slowakei. Sie ist Vorstandsmitglied von Vision of Dance, einer professionellen Organisation für unabhängigen Tanz. Sie wurde 2017 und 2021 mit dem Preis der Tschechischen Tanzplattform für Interpretation und 2018 mit dem Jiří Opěla Manager of the Year Award ausgezeichnet. Im Jahr 2022 erhielt sie eine Nominierung für den Thalia Theaterpreis im Bereich alternatives Theater für ihre Interpretation in der Performance Multividual.
Roman Samotný studierte Journalismus an der Comenius-Universität in Bratislava. Bereits während und nach seinem Studium arbeitete er in verschiedenen Medienhäusern (TV JOJ, RTVS, SITA, Plus 7 dni). Er ist Gründer der Plattform Queer Slovakia, die verschiedene Veranstaltungen für die LGBTQI+-Community organisiert. Dazu gehört u.a. das Projekt Tepláreň, das eine Bar und ein Gemeinschaftszentrum war. Nach einem Terroranschlag in 2022, bei dem zwei queere Personen erschossen wurden, wird Tepláreň als Veranstaltungsreihe in verschiedenen Clubs und Kulturzentren fortgesetzt. Seit 2010 ist Roman Samotný Mitglied der Inakosť-Initiative, dort leitet er die Bereiche Kommunikation, Fundraising und Veranstaltungen und engagiert sich in der Bildungsarbeit für LGBTQI+ Themen. 2022 erhielt er den White Crow Award für Zivilcourage und 2023 den Preis des Bürgermeisters von Bratislava für die Schaffung eines Safe Spaces.
Markus Huber studierte Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Publizistik in Berlin und Mailand. Von 2007 bis 2015 arbeitete er für die transmediale, Festival für Kunst und digitale Kultur in Berlin. Er war dort als Kurator und Festival Manager tätig. Anschließend wechselte er zur Kulturstiftung des Bundes nach Halle in die Förderprogrammentwicklung. Seit 2017 ist Herr Huber für das Goethe-Institut tätig, zunächst als Bereichsleiter Bildung und Diskurse und seit 2020 als Institutsleiter des Goethe-Instituts in der Slowakei.