Éléphant

Bouchra Ouizguen

Tanzformen 2023/24 Tanz

„Wie meine früheren Werke, wurde auch dieses Stück vollständig in Marokko geschaffen, aber diesmal in den Bergen. Das Wandern, Singen, Erzählen und das Sein in der Natur haben uns geprägt.“

Bouchra Ouizguen gilt als Wegbereiterin des zeitgenössischen marokkanischen Tanzes. In ihrer neuen Arbeit „Éléphant“ führt sie ihre bisherigen künstlerischen Auseinandersetzungen mit traditionellen Gesangstechniken, Tänzen, Ritualen und dem populären Repertoire der Region Marrakesch fort und fragt, was bleibt, was weitergegeben wird – in einer Zeit, in der Traditionen zu verschwinden drohen. Begleitet von ihren langjährigen Komplizinnen Milouda El Maataoui und Halima Sahmoud sowie der Tänzerin Joséphine Tilloy hat Bouchra Ouizguen auf diese Weise eine Choreografie erarbeitet, die sich zwischen (neu interpretierter) Tradition und ihrer Affinität zum zeitgenössischen Tanz bewegt und in der Körper und Klang ineinandergreifen. 

Dauer: ca. 1 Std.
Keine Sprache

Am 24.11. findet ein Publikumsgespräch im Anschluss statt, Moderation Samira Nasser (Leitung Vorklassen an der Dresdner Philharmonie)

In „Éléphant“ taucht Bouchra Ouizguen in das traditionelle Musikrepertoire der Laâbates (die Spielerinnen) ein. Vom patriarchalischen Blick verpönt, beleben die ausschließlich weiblichen Gesangs- und Tanzgruppen gesellige Feste und Familientreffen sowohl in den Städten als auch in den Dörfern Marokkos. Ihr Gesang feiert die Ereignisse als Zyklen der Natur und erinnert an die Freuden und Dramen des Einzelnen und der Gemeinschaft, an Geburten und Tod.

Die Musikkultur der sogenannten Houariyat-Frauen ist eng mit der wirtschaftlichen und sozialen Rolle verbunden, die marokkanische Frauen spielen. So leisten Frauen einen großen Anteil an der Gemeinschaftsarbeit und sind insbesondere in der Textilindustrie stark vertreten. In den Pausen der Feldarbeit sitzen die Frauen traditionell im Kreis, singen und begleiten sich dabei mit Hand- und Schlaginstrumenten. Ihr Musikstil ist von der subsaharischen und alten Musik Nordafrikas beeinflusst – von ihrer Polyrhythmik, ihrer Verwendung von Ruf- und Antwortmustern, ihrer Fünfton-Musik und ihrer typisch zyklischen Struktur/mehrteiligen Komposition. Bei genauer Betrachtung lässt sich ein kompositorischer Aufbau erkennen, der auf einer ständig variierenden Anordnung einer begrenzten Menge rhythmischer Muster beruht und damit an afrikanische Muster der Textilweberei erinnert. Diese musikalische Form wird durch Dynamik und Tempovariation verstärkt. Außerdem werden ausschließlich Perkussionsinstrumente wie Tara, Bendir, Tarija, Derbouka, Dâwdâw und Naqqus verwendet. Der Rhythmus lädt zum Feiern, Singen und Tanzen ein und lässt viel Raum für Improvisation in einer im Wesentlichen mündlichen, auf Poesie ausgerichteten Kultur. Da Musik in Marokko als spirituelle Essenz angesehen wird, beginnt jedes Konzert, ob im traditionellen oder modernen Kontext, mit einem Appell an den göttlichen Geist, indem der Marabout (islamischer Heiliger) um Hilfe gebeten und der Prophet gepriesen wird. Der Ruf kann sowohl als Opfergabe als auch eine Suche nach Inspiration gedeutet werden.

Bouchra Ouizguen ist Tänzerin und Choreographin. 1980 in Ouarzazate in Marokko geboren, lebt und arbeitet sie heute in Marrakech. Sie ist, wie auch Taoufiq Izzediou, Mitbegründerin der ersten zeitgenössischen Tanzkompanie Marokkos ANANIA, kolloborierte mit Mathilde Monnier, Bernardo Montet, Boris Charmatz, Julie Nioche et Abdellah Taïa und gründete 2010 die Compagnie O.

In Ihren Arbeiten erschafft sie eine persönliche, einzigartige und inspirierte Form des choreografischen Ausdrucks, weit entfernt vom westlichen zeitgenössischen Tanz. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet sie mit Musikerinnen aus Südmarokko zusammen, die einen Teil des kulturellen Erbes des Landes verkörpern. Für Bouchra Ouizguen tragen sie eine Form von freudiger Freiheit in sich, die im Gegensatz zu geschlechtsspezifischen, kulturellen und rassischen Vorurteilen der Gesellschaft steht. Indem Ouizguen sie in die zeitgenössische Tanzszene einlädt, bringt sie Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne zusammen.

Künstlerische Leitung: Bouchra Ouizguen
Tänzerinnen und Sängerinnen: Milouda El Maataoui, Bouchra Ouizguen, Halima Sahmoud, Joséphine Tilloy
Lichtdesign: Sylvie Mélis
Tonregie: Chloé Barbe
Administration und Produktion: Mylène Gaillon