Foto: Carsten Beier

Don’t you dare! Wage es ja nicht!,#2-2022

Maria Chiara de‘ Nobili und Alexander Miller beschäftigen sich in ihrer neuen Produktion „Don’t you dare!“ mit Aberglauben, Tabus und Gewohnheiten. André Schallenberg (HELLERAU) sprach mit ihnen über ihren künstlerischen Ansatz. 

Woher kommt das Interesse am Aberglauben? Hat euch eure eigene Vergangenheit und Erfahrung beeinflusst?

Unser Interesse an Aberglauben entstand aus Neugierde für unsere kulturellen Unterschiede. Da wir aus Italien bzw. Kasachstan kommen, sind wir in einem Umfeld aufgewachsen, das reich an Aberglauben ist, der unser soziales Verhalten unbewusst beeinflusst hat. Uns wurde klar, dass die meisten dieser Aberglauben uns beiden vertraut sind, dass sie unser Leben und die Art und Weise, wie wir uns zu bestimmten Objekten und Ereignissen verhalten, beeinflussen. Alex ärgert sich, wenn Chiara im Haus pfeift und Chiara verbietet Alex, seine Mützen auf das Bett zu legen. „Wage es ja nicht!“, sagten wir uns gegenseitig, „Don’t you dare!“. Wir waren mit etwas beschäftigt, das wir nicht einmal ganz verstanden. Wir wussten einfach nicht, warum.

In dem Moment, in dem wir anfingen, darüber zu sprechen und es zu hinterfragen, entdeckten wir, dass der mysteriöse Charakter des Aberglaubens ein großes Potenzial hat, in theatrale Szenarien verwandelt zu werden. Außerdem wurde uns klar, dass der Aberglaube ein starkes verbindendes Potenzial besitzt, da sich jede:r mit den meisten Aberglauben identifizieren kann, trotz kultureller Unterschiede. Es ist allgemein bekannt, dass Theaterleute sehr abergläubisch sein können. In Italien ist es zum Beispiel verboten, im Theater die Farbe Lila zu tragen, in Spanien die Farbe Gelb, und im Allgemeinen ist es nicht erlaubt, im Theater zu pfeifen!

Geht es euch eher um eine dokumentarische Darstellung oder um eine metaphorische, abstrakte Darstellung?

Wir interessieren uns mehr für die metaphorische, abstrahierte Darstellung des Aberglaubens. Wir betrachten den Aberglauben als eine Möglichkeit, Text, Bewegungsmaterial und komplexe Theaterszenarien zu kreieren, aber auch als eine Möglichkeit, individuelle Erfahrungen zu teilen, mit denen sich jede:r auf einer emotionalen Ebene identifizieren kann. Wir suchen immer nach subtilen Verweisen auf den historischen Kontext von Aberglauben, um das Publikum mit ein wenig mehr Wissen über das Thema zurückzulassen und vielleicht die Neugierde zu wecken, tiefer nach den Wurzeln zu graben.

„Don’t you dare“ ist euer zweites großes Projekt. Wie seht ihr eure Zusammenarbeit untereinander und mit eurem Team?

Trotz unserer Unterschiede haben wir gemeinsame künstlerische Perspektiven und Interessen. Wir versuchen, tiefer in die Welten des jeweils anderen einzutauchen, um sicherzustellen, dass es keine Grenzen oder Schubladen für die Arbeit gibt und unsere Welten sich perfekt ineinanderfügen. „Vertrauen und Spaß haben“ ist mittlerweile unser Team-Motto. Wir umgeben uns mit Menschen, in die wir persönlich und künstlerisch großes Vertrauen haben. Wir legen Wert auf eine spielerische Atmosphäre, die die kreative Freiheit fördert. Spaß zu haben bedeutet nicht, dass wir unsere Arbeit leichtnehmen. Vielmehr treiben wir uns gegenseitig an die Grenzen. Und indem wir spielerisch bleiben, fühlen wir uns davon nicht überfordert.

Miller de Nobili ist das Label für die gemeinsamen Arbeiten von Maria Chiara de‘ Nobili und Alexander Miller. Beide schlossen 2020 den M.A. Choreografie an der Palucca Hochschule für Tanz Dresden. Miller de Nobili entstand aus der Idee, eine gemeinsame Form für die jeweiligen Interessen an zeitgenössischem Tanztheater, Physical Theatre, Urban Dance und Breaking zu finden. „Momento“, das erste gemeinsame Werk, gewann den Scapino Ballet Production Award beim 35. Internationalen Wettbewerb für Choreografie 2021 in Hannover. Ihr letztes Werk „PACK“ wurde im September 2021 im Rahmen des Festivals „Dancing About“ als Koproduktion mit TANZPAKT Dresden in HELLERAU uraufgeführt und auf der Tanzplattform Deutschland 2022 präsentiert.

Don’t you dare!

Miller de Nobili

Premiere am 18.11.2022

Koproduktion HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste 

Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.