"Wir sollten das Leben und die Kunst feiern" – Eröffnung HELLERAU 14.09.2018

„Was für ein Auftakt! Berührendes Theater mit Inhalt, Rückbesinnung und voller Aktualität. Eine deutsche Erstaufführung, die gewiss nicht deswegen, nicht also als Selbstzweck nach HELLERAU geholt worden ist. Die neue Intendantin Carena Schlewitt bewies schon mal Mut und Haltung, indem sie die Produktion „Krieg und Terpentin“ von Jan Lauwers und der belgischen Needcompany nach Dresden eingeladen hat.“

Dieses Resultat zog die DNN nach unserer Eröffnung der Spielzeit 2018/2019 am 14.09.2018. Umrahmt wurde der Abend außerdem von Eröffnungsreden der Intendantin Carena Schlewitt, der Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Allen Reden ist eins gemein: Das Ziel ist es, gemeinsam von einem von HELLERAU ausgehenden Ruf die Freiheit der Kunst zu wahren und das Miteinander unter allen Menschen zu fördern. 

Lesen Sie nun hier die Eröffnungsrede der Intendantin Carena Schlewitt: 

Liebe Gäste des Abends, HELLERAU – das Europäische Zentrum der Künste und auch das Festspielhaus Hellerau gäbe es ohne die Künste und ohne die Visionäre, die die Künste gefördert, unterstützt und auch begleitet haben, nicht. HELLERAU ist ein Haus für die Künstler*innen. Und ich kann Ihnen sagen, dass wir, das Team von HELLERAU, bereits am letzten Sonntag sehr froh, ja geradezu beschwingt, waren, am Tag des offenen Denkmals zu unserem Spielzeitfest viele Dresdner Künstler und Künstlerinnen im Haus zu haben. Die künstlerische Arbeit ist ein harter Beruf, ein permanenter Prozess der Suche, ein Prozess, der von Erfolg und Scheitern geprägt ist, ein Prozess der kollektiven Arbeit genauso wie der Einsamkeit. Und: Mit der Entscheidung, professionell in der Kunst zu arbeiten, gehen Künstler*innen bewusst Risiken der ganz privaten Lebensgestaltung ein. Es ist mir wichtig, zum Einstieg in meine neue Aufgabe meine Wertschätzung der Kunst, ihrer Prozesse und der Macher*innen zum Ausdruck zu bringen. Nun gehört zur Kunst, insbesondere in den performativen Künsten – Tanz, Theater, Musik, Performance – zwingend das Publikum. Wir werden mit unserem Spielzeitprogramm das Dresdner Publikum in den nächsten Wochen und Monaten erst kennenlernen. Aus meiner bisherigen Erfahrung bin ich überzeugt, dass die zeitgenössischen Künste in ihrer Breite und Vielseitigkeit ein ebenso breites Publikum anziehen und begeistern können. Damit meine ich auch sehr unterschiedliche Formate in der Begegnung von Künstler*in und Besucher*in. Ein open house ohne Tribüne, lichtdurchflutet vom Portikus, durch den Festspielsaal bis hin zum Garten, und eine Bespielung im ganzen Haus, wie am Tag des offenen Denkmals, zieht vielleicht andere Besucher*innen an, als eine Choreografie, ein Konzert, eine Inszenierung, die sich in einem geschlossenen Raum frontal an ein Publikum richtet, oder als ein performativer Spaziergang mit einem Künstlerkollektiv durch die Gartenstadt Hellerau. Diese Vielfalt, diese Formen bringen die zeitgenössischen Künste mit und verwickeln das Publikum in immer neue Situationen, Kunst nicht nur als Kunst, sondern auch in unterschiedlichen gesellschaftlichen Konstellationen zu erleben. Jede Publikumssituation kann auch Risiken bergen – Begegnungen können nicht aufgehen oder gar nicht erst stattfinden. Sie können aber auch emotional, sozial und kulturell vieles auslösen. Ich denke, dass die Begegnung mit dem Publikum mehr sein muss als die Frage nach der Anzahl der Besucher*innen – so sehr auch ich am liebsten volle Säle, ein volles Haus habe. Wir werden es nicht schaffen, jede*n Besucher*in und jede*n Besucher*in persönlich kennenzulernen, aber wir möchten miteinander ins Gespräch kommen. Und eine Gesprächskultur über die Kunst ist immer auch eine Gesprächskultur über die Gesellschaft. Nun habe ich HELLERAU als ein Haus der Künstler*innen und des Publikums beschrieben. Das Haus steht jedoch auch als Kulturinstitution in der heutigen Gesellschaft und ist Teil dieser Gesellschaft – in Dresden, in Sachsen, in Deutschland und in der Welt. Selbst wenn das ein wenig vollmundig klingen mag: Wir sind vernetzt und verbunden mit vielen Partner*innen im In- und Ausland. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten viele Gespräche mit Dresdner Akteur*innen, Partner*innen und Institutionen geführt und meine große Hoffnung ist, dass wir gemeinsam nicht nur ein, sondern viele Zeichen setzen für eine pluralistische, vielfältige Gesellschaft, für ein Leben in Frieden und ein gesellschaftliches Miteinander. Dass diese Selbstverständlichkeiten des menschlichen Zusammenlebens immer noch und wieder verstärkt tagtäglich wiederholt werden müssen – nicht nur bei uns, sondern in vielen Ländern und Städten –, ist sehr alarmierend. Wir sollten das Leben und die Kunst feiern, mit vielen Menschen, und auch das ist ein politisches Zeichen, ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Hass. An dieser Stelle möchte ich noch einige Worte zum heutigen Stück des Abends „Krieg und Terpentin“ oder „Der Himmel meines Großvaters“, wie der Titel in der ersten deutschen Buchübersetzung heißt, sagen. Stefan Hertmans hat diesen Roman als Hommage an seinen Großvater geschrieben. Die Geschichte läuft in Teilen zeitlich parallel zum Projekt der Erbauung des Festspielhauses HELLERAU: Hier die Vision und der Sprung in die Moderne, dort der menschliche Kampf mit der Industrialisierung und vor allem die Konfrontation mit dem Ersten Weltkrieg. Aber bei all den schweren Erfahrungen und Erlebnissen gibt es immer die existenzielle Sehnsucht nach der Kunst. Diese Perspektive ist es, die mich in der kongenialen Umsetzung der Needcompany mit der großartigen Erzählerin/Schauspielerin Viviane De Muynck so beeindruckt hat. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen anregenden Abend. Last but not least ist es mir ein großes Anliegen, mich bei den Förder*innen von HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste – zu bedanken, an erster Stelle bei der Stadt Dresden. Es ist ein großes Glück, dass die Stadt Dresden ein Haus wie HELLERAU fördert und unterstützt. Ich möchte mich auch bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bedanken, die HELLERAU im Rahmen des Bündnisses Internationaler Produktionshäuser fördert. Und wir freuen uns außerordentlich über die Unterstützung vieler Partner*innen und Stiftungen in dieser Spielzeit, wovon ich nur einige hier stellvertretend nennen kann: die Bundeszentrale für politische Bildung, die Ernst von Siemens Musikstiftung, die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der Freistaat Sachsen, das Nationale Performancenetz, die Dresdner Stiftung Kunst und Kultur der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, die Stiftung Kunst und Musik für Dresden, der Förderverein Hellerau e.V. u.v.m. Und alles, was in HELLERAU stattfindet und mit HELLERAU zu tun hat, wäre ohne den großartigen Einsatz aller Mitarbeiter*innen nicht möglich, die engagiert und mit guter Stimmung an die herausfordernden Aufgaben Tag für Tag herangehen. Dafür gilt mein großer Dank!