Kofflers Schicksal: Die Goldberg-Variationen

Jewish Chamber Orchestra Munich

2023/24 SCHICHTEN Musik Konzert Kulturpass

Achtung! Dreitägiger Streik im Dresdner Nahverkehr vom 29.02. bis 02.03.2024!
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Gemeinsam mit der Autorin Stella Leder verknüpft das Jewish Chamber Orchestra München die Befragung deutscher Erinnerungskultur mit dem Leben und Werk Józef Kofflers. Weitgehend vergessen, soll seine Musik nun erneut erklingen.

Zu hören sind sein Streich-Trio op. 10 in einer Bearbeitung für Kammerorchester sowie seine Bearbeitung der Goldberg-Variationen von Bach. Im Dialog mit der Musik spricht die Schauspielerin und Sängerin Jelena Kuljić einen Text von Stella Leder, der sich mit dem Leben Kofflers und assoziativ mit dem Thema Erinnerung aus heutiger Perspektive auseinandersetzt. Józef Koffler wurde 1896 in Stryj (Polen, heute: Ukraine) geboren. Er studierte Komposition in Wien und feierte Erfolge als Komponist. Bereits mit 32 Jahren hielt er in Lemberg die einzige Professur für atonale Komposition in Polen. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Ostpolen 1941 wurde Koffler mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn verhaftet und in das Ghetto Wieliczka gebracht. Nach der Auflösung des Ghettos 1943 versteckte er sich mit seiner Frau und seinem Sohn an unterschiedlichen Orten, wurde 1944 jedoch von der Gestapo aufgespürt und zusammen mit seiner Familie am Rande eines unbekannten Dorfes erschossen.

Dauer: ca. 1 Std. 20 Min.

Das JEWISH CHAMBER ORCHESTRA MUNICH hat sich seit seiner Gründung durch den künstlerischen Leiter Daniel Grossmann im Jahr 2005 ein einzigartiges Profil erarbeitet: Es versteht sich als zeitgenössische jüdische Stimme, ist international auf vielfältigen Konzertbühnen präsent und geht mit immer neuen Allianzen und Formaten ungewöhnliche Wege, um jüdische Gegenwartskultur lebendig und für jeden hör-, erleb- und sichtbar zu machen – ein international relevantes Anliegen, das vom Orchester mit Selbstverständlichkeit in die Welt hinausgetragen wird. Neben Tourneen u. a. nach Israel, Osteuropa, Skandinavien, Nordamerika und China tritt das JCOM bei Gastspielen innerhalb Deutschlands als Botschafter jüdischer Kultur in Erscheinung. Es ist ein Orchester für alle Nationen und Religionen. Seine Musiker:innen kommen aus über zwanzig Ländern, sind jüdisch und nicht-jüdisch und leben überwiegend in Deutschland.

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Jelena Kuljić, geboren 1976 in Serbien, absolvierte 2008 ihr Studium im Fach Jazz-Gesang am Jazz-Institut Berlin. Sie spielte in zahlreichen Theaterproduktionen, u.a. an der Volksbühne Berlin, Schaubühne Berlin, im Burgtheater, Thalia Theater, und arbeitete eng mit dem Regisseur David Marton und der Choreographin Constanza Macras zusammen. Seit der Spielzeit 2015/16 ist Jelena Kuljić festes Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele. Als Musikerin spielt sie in verschiedenen Musikprojekten, u.a. KUU! (ACTmusic), Z-Country Paradise (Z-Paradise Records), Fasil (ECM), und tritt bei internationalen Jazz Festivals auf, wie dem Moers Festival, Elbjazz, Copenhagen Jazzfestival, NatjazzBergen usw. Ihre Band KUU! wurde für den Deutschen Jazzpreis 2021 nominiert. 2022 wurde Kuljić für den Deutschen Jazzpreis als ‚Vocal of the Year‘ nominiert und wurde Preisträgerin des JTI Awards. 

Stella Leder ist Autorin und Dramaturgin. Sie studierte Kunstgeschichte und Germanistik, war im Vorstand der Stiftung Zurückgeben, arbeitete für die Amadeu Antonio Stiftung und in der freien Theaterszene. 2015 gründete sie das Institut für Neue Soziale Plastik mit, einen Zusammenschluss jüdischer und antisemitismuskritischer Regisseur:innen, Dramaturg:innen, Autor:innen und Künstler:innen. Das Institut entwickelt Performances, Installationen und Ausstellungen. Es ist unter der Leitung von Stella Leder zu einem Knotenpunkt zwischen antisemitismuskritischen und jüdischen Künstler:innen auf der einen, sowie Theatern oder Museen auf der anderen Seite avanciert. 2021 erschienen Leders Bücher Meine Mutter, der Mann im Garten und die Rechten (Ullstein) und Über jeden Verdacht erhaben? Antisemitismus in Kunst und Kultur (Hentrich & Hentrich).

Martín Valdés-Stauber gründete 2021 den künstlerischen Forschungsbereich Erinnerung als Arbeit an der Gegenwart, den er seitdem leitet. Von 2017 bis 2023 gehörte er als Dramaturg zum Künstlerischen Leitungsteam der Münchner Kammerspiele. Seit 2023 ist er Dramaturg an der Schaubühne Berlin. Zuvor studierte er Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in München, Friedrichshafen, Berkeley und Cambridge. Seit 2020 ist Martín Valdés-Stauber ehrenamtlich “Beauftragter für Offene Gesellschaft” in seiner Heimatstadt Kaufbeuren. Sein Stück Time Busters zur Erinnerungskultur in einer postmigrantischen Gesellschaft wurde zum Bundestreffen der Theaterjugendclubs eingeladen. Seit 2018 erforscht er im Langzeitprojekt Schicksale gemeinsam mit Janne und Klaus Weinzierl die Biographien der im NS-Regime Verfolgten unter den Mitarbeiter:innen der Kammerspiele. 

Daniel Grossmann beschäftigt sich bereits sein gesamtes Berufsleben über mit der Frage, wie jüdische Kultur ihren Platz im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein einnehmen kann und wie er über die Vermittlung dieser Kultur zum interkulturellen Dialog beitragen kann. Aus dieser Fragestellung heraus gründete der Dirigent 2005 das Jewish Chamber Orchester Munich (zunächst Orchester Jakobsplatz München), das sich seitdem unter seiner Leitung zu einem international beachteten, professionellen Klangkörper auf musikalisch hohem Niveau entwickelt hat und auch im vielfältigen Münchner Kulturleben durch seine außergewöhnlichen Projekte heraussticht. Dabei richtet Daniel Grossmann den Fokus immer auf Projekte, die etwas mit dem heute, hier und jetzt zu tun haben. Er kombiniert gekonnt die Musik vergangener Epochen mit aktuellen Darstellungsformen und macht die Konzerte des JCOM zu eindrucksvollen Erlebnissen für die Zuhörer. Selbstverständlich beschäftigt er sich auch mit ‚vergessenen‘ jüdischen Komponisten, die er als ausdrucksstarker Redner in moderierten Konzerten präsentiert.

Dirigent: Daniel Grossmann
Text: Stella Leder
Dramaturgie: Martin Valdés-Stauber
Solisten: Jelena Kuljić (Schauspielerin)

Werke von:
Józef Koffler (Bearbeitung für Kammerorchester von Nicholas Hersh)
Johann Sebastian Bach (Bearbeitung für Kammerorchester von Józef Koffler)

Eine Stückentwicklung in Zusammenarbeit zwischen Stella Leder, Martin Valdés-­Stauber, und Daniel Grossmann.