ESTHER
Reut Shemesh
Mit „ESTHER“ entwickelt die israelische Choreografin Reut Shemesh ein Tanzstück für junges Publikum, das sich mit Identitätsentwicklung und Gruppenzugehörigkeit beschäftigt. Dabei steht die konkrete Auseinandersetzung mit Uniform(ierung) und Verkörperung von sozialen Normen im Fokus.
In mehreren Stücken (u.a. Cobra Blonde, Atara, Gola, Leviah) hat Reut Shemesh zu Gender-Politik und körperbezogenen Kontroll- und Machtmechanismen gearbeitet. Choreografisch interessiert sie sich für die Erforschung von sozialen Bindungen, ihren Codes und ihren Gesten. Wie spiegelt sich das Gemeinschaftsgefühl in Haltungen, Dresscodes und Ritualen wider? Welche Rolle spielen Farben, Zeichen und Symbole wie beispielsweise Fahnen, Schuhe, Kleidung? Welche individuellen Ausdrucksformen erfährt ein Körper, der in einer Uniform(ierung) steckt? Diese Fragestellungen docken konkret an die autobiografische und künstlerische Expertise der Choreografin an, die als Tänzerin und Soldatin im Militärdienst in Israel den Einfluss von Uniformierung auf Körperbewegung und -wahrnehmung selbst erfahren hat. In der Recherchephase zum Stück bezieht Reut Shemesh die Zielgruppe des Projekts (14+) bereits ein und arbeitet in allen Städten mit unterschiedlichen, jugendlichen Gruppen zur Thematik. In Dresden hat Reut Shemesh den Knabenchor Dresden und die Dresdner Kapellknaben besucht.
Dauer: ca. 50 Min.
Ohne Sprache
Familienticket für 37 €
Am 14.06. findet im Anschluss ein Publikumsgespräch statt
Das Interview mit Reut Shemesh wurde von fabrik Potsdam geführt.
Was hat dich zu dem Thema deiner neuesten Bühnenproduktion Esther inspiriert?
Die Thematik von Esther dreht sich um Jugend und Uniformen. In den letzten sieben Jahren habe ich mich in früheren Stücken viel mit diesem Thema beschäftigt, zum Beispiel mit Frauen und Militäruniformen in Israel sowie mit den Funkenmariechen in Düsseldorf. Für mich geht es dabei auch um Uniformierung in der Gesellschaft und wie die Jugend mit den Uniformen instrumentalisiert werden kann. Die Uniformen kommen meistens von den Erwachsenen und es interessiert mich, wie sich der Blick auf die Kinder und Jugendlichen mit den Uniformen verändert. Ich war selbst als Mädchen Turnerin. Ich denke heute, dass wir sehr enge Kleider getragen haben. Es gibt eine Menge Fragen, die gestellt werden müssen!
Wie und mit wem arbeitest du konkret für die Premiere in Potsdam?
Ich möchte mit “Reenactment” arbeiten – also existierende Fotos von jungen Menschen in verschiedenen Uniformen nachstellen und nachbilden. Einige der Fotos wurden von mir selbst aufgenommen, andere stammen aus einem offenen Aufruf, den wir in Potsdam, Hamburg, Dresden und München geteilt haben, manchmal auch mit alten Uniformen, die nicht mehr in Gebrauch sind, wie die Pionier-Uniform. Weiterhin haben die Performer*innen private Fotos aus ihrer Jugend für den Prozess und das Stück zur Verfügung gestellt. Wir haben eine große Sammlung von Bildern. Ich habe auch Jugendliche aus verschiedenen Städten getroffen: einen Knabenchor in Dresden, Pfadfinder in München, Hockey-Spielerinnen in Hamburg, sowie Jugendliche aus Potsdam.
Was kann die Erfahrung von Tanzstücken bei jungen Menschen auslösen?
Tanzstücke können jungen Menschen viel bringen! Der Körper von Jugendlichen verändert sich stark, aber als ich jung war, tanzte ich schon und war stolz darauf. Tanz kann ein kleines Heilmittel sein, um den Körper auf andere Weise zu betrachten. Tanz kann experimentell, überraschend und unerwartet sein. Das ist etwas sehr Cooles und Ansprechendes für junge Leute, mit dem sie experimentieren können.
Was ist dein Hintergrund? Wie war deine Jugend?
Ich bin in Israel aufgewachsen. Meine Jugend war nicht einfach – meine Eltern haben sich scheiden lassen, ich war nicht so gut in der Schule – und bin buchstäblich in den Tanz geflüchtet. Das war ein sehr schöner und hilfreicher Ort, um mich zu stärken. Dann habe ich Choreografie und Kunst studiert. Vor 10 Jahren bin ich nach Deutschland gezogen. Nach Europa zu kommen, war für mich eine Art Befreiung, was damit zu tun hatte, dass ich in Israel auf eine bestimmte Art identifiziert wurde, was im Ausland nicht mehr der Fall war. Ich war in Deutschland einfach jemand aus Israel…
Reut Shemesh arbeitet genreübergreifend an der Schnittstelle von zeitgenössischem Tanz, Poetry und experimentellem Film. 2019 vom Magazin tanz zur Hoffnungsträgerin des Jahres ernannt, erhielt sie u.a. für „Atara“ eine Einladung zur Tanzplattform Deutschland 2020 in München sowie zahlreiche Nominierungen für Preise. 2016 wurde sie mit dem Kölner Tanz- und Theaterpreis ausgezeichnet.
Konzept & Choreografie: Reut Shemesh
Tanz und Co-Choreografie: Juliana Oliveira, Kelvin Kilonzo, Mihyun Ko, Brit Rodemund, Enis Turan
Licht- und Bühnendesign: Ronni Shendar
Kostümdesign: Marie Siekmann
Musik: Micha Kaplan
Choreografische Assistenz: Katja Pire
Technischer Support, Licht, Bühne: Jens Siewert, Ricardo Block
Produktion: Sabina Stücker
Foto: Jonas Zeidler
Esther ist eine Gemeinschafts-Produktion von fabrik moves Potsdam und Reut Shemesh, in Koproduktion mit K3 | Tanzplan Hamburg, Fokus Tanz | Tanz und Schule e.V. München und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden im Rahmen der Kooperation explore dance – Netzwerk Tanz für junges Publikum. Gefördert im Programm Jupiter – Darstellende Künste für junges Publikum der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das Netzwerk explore dance wird unterstützt durch die Art Mentor Foundation Lucerne.