Ceremony

Phil Collins (GB, DE)

Dauer: 67 min, Sprachen: Englisch, Russisch, Deutsch, deutsche Untertitel

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Durch die komplexe Überlagerung einer stillgelegten Statue von 1970 aus dem ehemaligen Osteuropa, einer groß angelegten Massenveranstaltung und einer Dokumentation erforscht der neue Film von Phil Collins das Werk und Vermächtnis von Friedrich Engels, Manchesters Adoptivsohn und neben seinem Freund Karl Marx Mitbegründer der kommunistischen Theorie. Die russische Revolution von 1917 prägte die politische Landschaft des 20. Jahrhunderts. Aber es war in Manchester, dass die Idee des Kommunismus geboren wurde, artikuliert zum großen Teil durch die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ideen von Friedrich Engels, der in der Stadt für mehr als zwanzig Jahre lebte. Indem er sein Werk mit den sozialen Bedingungen des heutigen Großbritanniens verknüpft, gibt „Ceremony“ Engels eine prominente Stellung in Manchester zurück und bekräftigt die Rolle der Stadt in der Geschichte des radikalen Denkens.

2017 holte Collins eine baufällige Engels-Statue aus einem ukrainischen Dorf, transportierte sie quer durch Europa und brachte sie nach Manchester, wo sie als neues öffentliches Denkmal im Stadtzentrum dauerhaft installiert wurde. Die Statue wurde im Rahmen einer Live-Veranstaltung eingeweiht, bei der Künstler:innen, Musiker:innen und lokale Gemeinden zusammenkamen, um eine Heimkehrparty für Engels zu veranstalten. Im Laufe eines Jahres, das diesem einzigartigen Moment vorausging, arbeitete Collins mit Aktivist:innen, Organisationen und Menschen, die er in der Stadt traf, zusammen, um das Leben der Arbeiter:innen im Großbritannien des 21. Jahrhunderts zu erforschen. Mit Maxine Peake als Stimme von Engels und einer zentralen Performance von Carla Henry ist „Ceremony“ ein freilaufender Ritt, der Collins‘ Markenzeichen, ein Mosaik aus Genres und visuellen Ansätzen, von Künstlerfilm und inszenierter Performance bis hin zu Archiv, Dokumentarfilm und experimentellem TV, beinhaltet. Während er die Reise der Statue von der einen Seite Europas zur anderen verfolgt, wechselt der Film zwischen verschiedenen Lesarten der Geschichte. Parallel dazu werden Szenen aus dem Leben von Collins‘ Mitarbeiter:innen in Manchester gezeigt, darunter eine junge Tänzerin, die um ihr Auskommen kämpft, eine Fabrikarbeiterin, die nach einem Schlaganfall direkt wieder zur Arbeit geht, eine junge Obdachlose, die das Sorgerecht für ihr Kind verliert, und eine Immigrantin, die sich mit der Bürokratie des Sozialsystems auseinandersetzt.

Die Statue beendet ihre Reise in ihrem neuen, dauerhaften Zuhause am Tony Wilson Place, inmitten der hoch aufragenden Glas- und Stahlgebäude, die heute als Denkmäler für den Reichtum und das Streben der Unternehmen dienen. Ihre inkongruente Präsenz in dieser allzu vertrauten Landschaft des Spätkapitalismus wirft die Frage auf: Was würde Engels denken, wenn er heute leben würde? Was hat sich für die arbeitenden Armen geändert? Und was sind die Kontinuitäten? „Ceremony“ verbindet Manchester wieder mit einer Idee des Kommunismus, die nach wie vor eine visionäre Alternative zur Tyrannei des Kapitals darstellt, die unser politisches, wirtschaftliches und emotionales Leben beherrscht.

Phil Collins ist ein bildender Künstler und Filmemacher, der in Berlin und Wuppertal lebt. Er ist Professor für Video und Performance an der Kunsthochschule für Medien Köln.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat Collins Anerkennung für ehrgeizige Projekte erlangt, die in einer engen Beziehung zu Orten, Menschen und Gemeinschaften verwurzelt sind. In Form von Filmen, Installationen, performativen Situationen oder Live-Events stellt seine Arbeit die Aspekte der gelebten Erfahrung, das radikale Potenzial von Empathie und Verbindung sowie Stimmen, die oft missachtet oder unterdrückt wurden, in den Vordergrund. Über verschiedene Geografien, Ethnien, Sprachen und soziale Klassen hinweg – von Europa und dem Nahen Osten über Südostasien bis nach Nord- und Südamerika – wird Collins’ Ansatz von einem Ethos des Austauschs geleitet, das sich in einem Engagement für langfristige Prozesse und die Auseinandersetzung mit dem lokalen Kontext ausdrückt. Mit entwaffnender Unmittelbarkeit, aber auch kritisch gegenüber ungleicher Machtdynamik und der politischen Ökonomie der Kultur, unterstreicht Collins’ vielfältige Praxis die alltäglichen Nöte, ein gemeinsames Gefühl der Solidarität und was es bedeutet, miteinander in Beziehung zu treten.