Dancing About, #2 - 2021

Als Auftakt in die neue Spielzeit bringt das Festival „Dancing About“ vom 22. September bis 3. Oktober insgesamt 10 Tanzproduktionen in HELLERAU und in der VILLA WIGMAN zur Uraufführung. Das Festival ist zugleich der Abschluss des zweijährigen Projektes TANZPAKT Dresden. Freie Choreograf:innen, Tänzer:innen und Künstler:innen aus Sachsen erhielten die Möglichkeit, an diesem Prozess teilzunehmen. Sie konnten Recherche-Residenzen bei Partner-Institutionen wie der Sächsischen Dampfschiffahrt, dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme oder den Deutschen Werkstätten Hellerau durchführen, an der digitalen Winterakademie teilnehmen sowie Projekte erarbeiten, die jetzt zur Uraufführung gelangen. Während des gesamten TANZPAKT-Prozesses standen die Künstler:innen im engen Austausch miteinander. In einem Ketten-Interview per Messenger befragen sie sich gegenseitig zu ihrer Arbeit und antworten mit einem Foto aus ihrem Arbeitsprozess.

Christoph Bovermann TANZPAKT Dresden 

Christoph Bovermann @Maria Chiara de’ Nobili Du hast dich für deine Recherche entschieden, mit den drei Partnerinstitutionen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, vigevo – Das Netzwerk für Gebärdensprachdienstleistungen und TU Dresden/Professur für Technisches Design zu arbeiten. Wie war es, diese verschiedenen Einflüsse zu verknüpfen? 

Maria Chiara de’ Nobili Connecting the inputs from the three partner institutions allowed the research to swim into very different fields. After some initial wandering, I found that curiosity and the capacity to adapt to the consequences of the pandemic were the key-points to succeed: staying open to getting creative with all instruments available, switching the point of view when needed. 

Maria Chiara de’ Nobili @Isaac Spencer @Franz Ehrenberg How did the viewers connect and react during the live performance situations that you proposed? 

Isaac Spencer, Franz Ehrenberg Eindrücke von unseren Partner:innen waren: ~sehr emotional ~Wie ein Tag im Leben des Performers ~zerbrechlich ~beruhigend ~viele Assoziationen ~Wie in der Wohnung eines Fremden zu sein. 

Isaac Spencer @Johanna Roggan @Benjamin Schindler Aufgrund der Reisebeschränkungen mussten Bewegung und „moving“ andere Ausdrücke finden. Auf welche Weise ist Bewegung dennoch in eure Forschung eingeflossen oder was hat sich bewegt? 

Johanna Roggan, Benjamin Schindler Unsere Bewegungspläne ließen sich im letzten Jahr nicht umsetzen. Statt durch Europa zu fahren und Menschen zu befragen, mussten wir uns ständig neu justieren, bewegen, anpassen. Umso glücklicher hat uns die Residenz in Poznań gemacht. Die Residenz hat uns vor allem emotional bewegt. Die Geschichten der Künstler:innen, die in der repressiven politischen Situation in Polen für Freiheit und gegen Diskriminierung kämpfen,,haben uns demütig werden lassen. Ohne Hast, zur nächsten Reise aufzubrechen, konnten wir ihnen und uns den Raum zum Verweilen geben. 

Johanna Roggan @Nora Otte @David Le Thai Was habt ihr bei eurer Recherche/Suche nicht gefunden und wie beeinflusst das euren Blick oder Umgang mit dem, was ihr gefunden habt? 

Nora Otte, David Le Thai In Gnadengesuchen von Dresdner Familien aus dem 19. Jahrhundert waren alte Adressen verzeichnet, die wir aufgesucht haben. Keines der neun Häuser ist mehr zu finden. Krieg und städtebauliche Maßnahmen haben das Stadtbild stark verändert. An den heutigen Leerstellen saßen damals im stillen Kämmerlein eine Ehefrau, Tochter, Mutter, um das Gnadengesuch für Ehemann, Sohn, Bruder zu formulieren. Hätte es noch mehr Deserteure gegeben, wäre einiges heute vielleicht noch auffindbar. 

Nora Otte @Caroline Beach @Ernst Markus Stein Welche Rolle spielt die Bewegung der Stimme (zwischen Kopf und Händen) in eurer Forschung? 

Ernst Markus Stein Hände basteln die Apparate oder schreiben das Protokoll, aber eigentlich sind sie Träger der Geschichte. 

Caroline Beach I think there is a lot of unchartered territory between the head and the hands. Most states, most bodies, focus on these as control centers and enforce an illusion of order to keep them that way. The voice can help to show all the broken roads between these two sites of power, to decentralize so that the guerrillas can descend from the mountains once again and fight. 

Caroline Beach @Rosalind Masson How will you use the research from your residency in your proposals of paradises? 

Rosalind Masson Mainly through blurring the boundaries of performance and participation: Audience members will be invited to take part in interspecies somatic practices developed in the residency, entering into their own perceptual experience of plants and the surrounding ecology. I don’t think such a thing as paradise exists but imaginary ones, perhaps. 

Rosalind Masson @Fang Yun Lo How is your research into the art of puppets and puppet making influencing your choreographic approach for “Nano Giants”? 

Fang Yun Lo Choreographically, I find the tipping points interesting: When does an object become alive in the eyes of the audience, when does it become inanimate again? Who moves whom? Can a human being also appear inanimate? How do puppeteers use gravity? How do we as audience members deal with differences in size and changes in scenery, because in puppet theatre we often have very different dimensions and „worlds“. These are all very interesting questions for choreographic work with human performers. 

Fang Yun Lo @Anna Till @Barbara Lubich Your research was a lot about time and different speeds. How do you work with your audience timewise? 

Anna Till, Barbara Lubich In „Experiencing Time“ wollen wir die Zuschauer:innen einladen, ihre eigene Zeitwahrnehmung zu reflektieren und mit ihr zu spielen. Während sie als Flaneur:innen im Garten und im großen Saal der Villa Wigman unterwegs sind, agieren sie als Agent:innen der Zeit. Sie werden Teil einer nie endenden und doch transformierenden Schleife sein, sie werden ein schwarzes Loch betreten, unterbrochen von Zeitabläufen, die durch Ton, Bilder und Performer:innen erzeugt werden. Sie werden die Zeit vergessen und sich an die Zeit erinnern. 

Barbara Lubich @Cindy Hammer @Joseph Hernandez Bei eurer Recherche seid ihr eurem Publikum auf der Straße begegnet. Wo und wie werdet ihr mit dem Publikum in eurer Performance in Kontakt treten? 

Cindy Hammer, Joseph Hernandez Die Aufgabe unserer Forschung und des Projekts ist es, ein Bewusstsein für das Verhalten des eigenen Körpers und anderer Körper in öffentlichen und offenen Räumen zu schaffen. So werden wir dem Publikum und den Zuschauer:innen immer wieder kleine und „einfache“ Vorschläge machen, die ihre Erfahrung und Wahrnehmung der Performance und der darstellenden Körper im offenen Raum verändern oder kontextualisieren können. Vielleicht werden die Zuschauer:innen selbst zu darstellenden Körpern. 

Cindy Hammer @Lotte Mueller Mit Bezug zu deinem Artistik- und Zirkushintergrund: Wie beeinflusst dein künstlerischer Ansatz das mobile/immobile performative Setting deiner Produktion „Im/Mobility“? 

Lotte Mueller Wir erkunden „Im/Mobilität“ im vertikalen Raum sowie die Begegnung zwischen Performer:innen und Publikum im gemeinsamen horizontalen Raum. 

Lotte Mueller @Alexander Miller Was war dein erster Impuls für deine Kreation? 

Alexander Miller Nachdem ich in den letzten Jahren die Breaking-Szene beobachtet habe und gehört habe, wie Tänzer:innen aus diesem Umfeld von Außenstehenden wahrgenommen werden, war es mein Impuls, eine andere Perspektive zu zeigen. Außerdem wollte ich schon immer ein Gruppenstück mit Tänzern kreieren, die in der Lage sind, fließend zwischen den Stilen zu wechseln. 

Alexander Miller @Katja Erfurth Wie wichtig ist dir das „Outside Eye“ im Entstehungsprozess deiner Choreografie und wie arbeitest du mit der Herausforderung, gleichzeitig Tänzerin und Choreografin zu sein? 

Katja Erfurth Es ist mir vertraut, Innen- und Außensichten einzunehmen, da ich seit über 20 Jahren für mich als Tänzerin choreografiere. Für ein Ensemble und mich zu inszenieren, ist neu. Dabei denke ich in unterschiedlichen Ebenen und Bildern, die ich später übereinanderlege. Durch Videoaufnahmen während der Proben und durch den Austausch mit Helmut Oehring, kann ich meine Intentionen in den verschiedensten Ausdrucksformen spiegeln, verwandeln und weiterentwickeln. 

Katja Erfurth @Irina Pauls Unterscheidet sich deine künstlerische Arbeit für die TANZPAKT-Produktion „facing zero and one“ mit der vorgelagerten Residenz von deinen bisherigen Arbeitsweisen? Und wenn ja, inwiefern? 

Irina Pauls Ja, sie unterscheidet sich deutlich. Ich gebe einen Teil der Inszenierung an die Wirkung der „technischen Verarbeitung“ menschlicher Bewegung durch die Maschine ab. Das ist spannendes Neuland für mich und bedeutet noch mehr Risiko, als künstlerische Arbeit ohnehin mit sich bringt. Auch das Inszenierungsteam setzt sich neu zusammen – alles recht aufregend. 

Irina Pauls @Heike Hennig In deiner sozialen Oper, die du für TANZPAKT Dresden entwickelst, arbeitest du mit Publikum und Künstler:innen zusammen. Wie beschreibst du deine Arbeitsweise? Probiert ihr gemeinsam, gibt es verschiedene Fragestellungen? 

Heike Hennig Nach einem Jahr ohne Feste laden wir zu einer Fest-Zeremonie mit Rauschmitteln und Kunststücken auf den Platz vor dem Festspielhaus ein. Mach mit, mach’s nach, mach’s besser … jede Menge Fragen, Lieder, Bläser, Violine, Akkordeon und choreografierter Gabelstapler auf dem Gelände. Gern mit Fahrrad und verkleidet anreisen. 

22.09.– 03.10.2021 
Dancing About 

TANZPAKT Dresden Festival 

Mi 22./Sa 25.09.2021 
soziale oper 
hennig & colleagues (DE) 
Eine „soziale Oper“ eröffnet das Festival auf dem Vorplatz des Festspielhauses mit Musik, Kunststücken und Tanz und feiert damit das Leben, zusammen mit Ihnen. 

Mi 22./Do 23.09.2021 
PACK 
Miller/de‘ Nobili (DE/IT) 
Sechs Tänzer, sechs Typen, 40 °C im Studio. Urban, Breaking, Contemporary und alles, was dazwischen passt. Eine Gruppe, ein PACK. 

Do 23./Fr 24.09.2021 
Sailor on Aisle 5 
Caroline Beach (US) 
Die Multimedia-Produktion erforscht das Innenleben von Objekten, Menschen und Ideen, die in einer zunehmend unverständlichen Existenz nach Verbindungen suchen. 

Fr 24./ Sa 25.09.2021 
Experiencing Time 
situation productions (DE/IT) 
Der interdisziplinäre Parkour durch Saal und Garten der Villa Wigman mit Hörstationen, Video, Performance, Sound thematisiert das individuelle Empfinden von Zeit. 

Sa 25./ So 26.09.2021 
facing zero and one 
Irina Pauls (DE) 

Fünf Tänzer:innen lassen sich spielerisch auf verschiedene Experimente ein und befragen damit, wie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine funktioniert. 

Mi 29./Do 30.09.2021 
Im/Mobility 
Lotte Mueller (DE) 
Die Performance zwischen zeitgenössischem Zirkus und Tanz hinterfragt gesellschaftliche Ordnungen, die Starrheit von Strukturen und das Veränderungspotenzial durch die eigene körperliche wie geistige Flexibilität. 

Do 30.09./Sa 02.10.2021 
Occupying Eden 
Anima(l)[us]/Rosalind Masson (GB/DE) 
Die Durational Performance lädt das Publikum in den Kulturgarten HELLERAU ein, gemeinsam ein imaginäres ökologisches Paradies zu schaffen. 

Fr 01./Sa 02.10.2021 
Nano Giants 
Polymer DMT/Fang Yun Lo (TW/DE) 
In dem Stück für die ganze Familie erforschen Polymer DMT/Fang Yun Lo auf einer Reise durch eine Theaterwunderwelt den Wert von Gemeinschaft. 

Sa 02./ So 03.10.2021 
KASSANDRA | Zunge: reißen 
Katja Erfurth (DE) 
Katja Erfurth verbindet das Thema Hörlosigkeit mit konkreten und assoziativen Gebärden und wird begleitet von AuditivVokal Dresden zu einer Komposition und Gebärdenchoreografie von Helmut Oehring. 

Sa 02./ So 03.10.2021 
ASPHALTWELTEN Part 3 
go plastic company (DE) 
Der dritte und finale Teil des Projekts „Asphaltwelten“ bearbeitet die künstlerische These einer Utopie: eine Gruppe, die sich der Stabilität und Sicherheit entsagt: ein Leben ohne Wände, ohne Versicherung, ohne Verwurzelung. Mehr Informationen zu den Residenzen, Produktionen und dem Festival Dancing About: tanzpakt-dresden.de

22.09. – 03.10. Dancing About

Unter dem Schirm der Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz, kooperieren im „TANZPAKT Dresden“ der Verein Villa Wigman für TANZ und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste. Gefördert von TANZPAKT Stadt-Land-Bund aus Mitteln der Beauftragten derBundesregierung für Kultur und Medien, dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst* sowie der Landeshauptstadt Dresden.
*Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.