„Was frei zugänglich und alltäglich geworden ist, ist die Angst vor der Zukunft“, #2 – 2020

Stimmen von Künstler*innen während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 

Die durch COVID-19 ausgelöste Krise trifft Kunstschaffende künstlerisch und ökonomisch weltweit hart und unmittelbar. Aufführungen wurden abgesagt, die Grenzen geschlossen, es gab keinen Applaus und keine Aussicht auf eine baldige Rückkehr der alten Normalität. Der digitale Raum entwickelte sich schnell als neue Plattform des Austauschs, der Kommunikation, der Präsentation und machte es möglich, die individuellen Situationen im größeren Rahmen sichtbar zu machen und zu teilen. Das Bündnis internationaler Produktionshäuser hat 35 internationale Künstler*innen eingeladen, Statements aus ihrer individuellen und künstlerischen Situation während des Lockdowns zu teilen und dadurch Einblicke aus der ganzen Welt erhalten. Hier finden Sie eine Auswahl der VOICES 

Marta Keil, Grzegorz Reske/ResKeil (Warschau) „Merkwürdigerweise geschieht diese plötzliche (Re-)Materialisierung der Grenzen auch genau in dem Moment, in dem wir mit dem EU-Projekt „Moving Borders“ beginnen. Dieses Projekt, das vor fast zwei Jahren als künstlerisches Mapping von materiellen und immateriellen Grenzen, Trennungen und Brüchen in städtischen und sozialen Texturen entwickelt wurde, bekam plötzlich völlig neue Dimensionen.“ 

Xiao Ke x Zi Han (Shanghai) „Das Verständnis von Entfernung hat sich verändert und die Stadt, in der wir leben, scheint weiter entfernt. Die Epidemie hat die reale Welt in eine leere Stadt verwandelt, in der die Menschen in isolierten Räumen leben und persönliche Äußerungen in virtuelle Welten werfen. Unsere Identität wird aufgefrischt und ist zugleich ein ewiges Thema, das jetzt besonders sensibel und wichtig ist. Wir verbringen immer noch mehr Zeit zu Hause, wobei wir erstens die Möglichkeit einer Ansteckung und zweitens eine zu starke Verfolgung vermeiden.“ 

Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen/Gintersdorfer/Klaßen (Berlin) „Was dann passiert ist: Absage aller folgenden Vorstellungsdaten, Corona-Ausgangsbeschränkung und Reisestopp. Die Folgen: Aufenthaltsgenehmigungen können nicht rechtzeitig verlängert werden, sie verfallen genauso wie die schon gebuchten Flüge zu den Vorstellungen. Einfach Puff: einige von uns sind seit April papier- und arbeitslos zugleich. Wo sind die beiden transnationalen Gruppen jetzt, die wir seit Jahren aufgebaut haben? Eine Rückkehr in eine lokale Existenz ist ein Albtraum für uns, wir wollen die transnationale Arbeit fortsetzen, um einer eurozentristischen Welt- und Kulturauffassung etwas Vielstimmiges entgegenzusetzen.“ 

Dóra Büki/Proton Theatre (Budapest) „Das Stichwort ist: Unsicherheit. Als unabhängige Company ohne staatliche Unterstützung kennen wir dieses Wort gut. In der gegenwärtigen Situation hat die Unsicherheit ein völlig neues Niveau erreicht: Eine Zeit mit fast nur Fragen und kaum Antworten.“ 

Trinidad Gonzáles (Santiago de Chile) „Vor einigen Monaten lebten wir unsere Revolution, und die Straßen meines Viertels waren die ganze Zeit übervoll mit Menschen. Wir waren wütend, aber glücklich. Etwas sehr Wichtiges ging vor sich, und wir hatten die Zukunft unseres Landes in unseren Händen. Wir tanzten viel. Wir teilten Essen und Wein. Die Straßen waren sehr lebendig. Jetzt befinden wir uns im umgekehrten Szenario.“ 

Eisa Jocson (Manila) „Weiter zu leben, trotz der Bedingungen weiter zu produzieren ist ein Akt des Widerstands.“ 

Russ Ligtas (Manila) „Die Arbeit war Zuflucht, Befreiung und Erholung.“

Alle Statements sind zu finden unter www.produktionshaeuser.de/voices