Wanaset Yodit, #2 – 2020

Die ägyptische Regisseurin Laila Soliman zählt zur internationalen jungen Theater-Avantgarde und ist 2021 erstmalig in HELLERAU zu Gast. Im Gespräch mit Leonie Kusterer berichtet sie über ihre Arbeit und die aktuelle Lage des Produzierens in Ägypten. 

Die Arbeit „Wanaset Yodit“ ist eine Einladung an das Publikum, mit den beiden Protagonistinnen, Abir Omer und Yodit Akbalat, Kaffee zu trinken und über ihr Leben zu sprechen. Wie hast du die Protagonistinnen kennengelernt und wie entstand die Idee, sie zu portraitieren? 

In Hannover bin ich in Kontakt mit der selbst organisierten Aktivistinnengruppe „My Body Belongs to Me“ gekommen, die sich gegen weibliche Genitalverstümmelung engagiert. Um mehr Aufmerksamkeit für ihren Kampf zu bekommen, haben Ruud Gielens und ich gemeinsam mit sieben der Frauen das musikalische Dokumentartheaterstück „MY BODY BELONGS TO ME“ entwickelt. Aufgrund des musikalischen Talents der Frauen und der Musik als Teil ihres Alltags und ihrer Zeremonien, haben wir uns dazu entschieden, ein musikalisches Theaterstück zu machen. Während der regelmäßigen Kaffeetrinken in der Probenzeit habe ich Abir Omer und Yodit Akbalat besser kennengelernt. Speziell mit den beiden wollte ich ein weiteres Stück machen – sie leben in derselben Stadt, unterstützen sich gegenseitig und sind eng befreundet. In „MY BODY BELONGS TO ME“ werden thematische Ausschnitte ihres Lebens beleuchtet. Ich habe beschlossen, den beiden einen intimeren Abend zu widmen, in welchem sie während einer Kaffeezeremonie Raum haben, ihre Geschichte mit dem Publikum zu teilen. So ist „Wanaset Yodit“ entstanden. 

Für deine letzten Stücke sind Geschichten von und über Frauen zentral. Gibt es in deiner Arbeit eine Verbindung zu feministischen Diskursen oder ist das Zufall? 

Weder das eine noch das andere. Mich interessieren Themen der Marginalisierung oder Ungerechtigkeit, Unterdrückung und der Kampf gegen Unterdrückung. Leider sind Frauen noch immer eine Gruppe, die sehr stark unter Marginalisierung und Prekarisierung leidet. 

Würdest du deine Arbeit als aktivistisch bezeichnen? 

Das kommt auf die Perspektive an. Für mich muss es immer einen dringenden Grund geben, eine Arbeit zu machen, und politische Kämpfe sind noch immer dringende Gründe. 

Du bist geborene Ägypterin, lebst in Kairo und machst internationales Theater. Wie sind die Strukturen des freien Produzierens in Ägypten? 

Seit 2018 habe ich nicht mehr in Ägypten produziert. Seit 2010 weigere ich mich, meine Arbeiten der Zensur zu zeigen. Somit ist es nicht völlig legal, meine Arbeiten öffentlich zu präsentieren. Ich muss immer einen Weg finden, sie einem Publikum zugänglich zu machen. Seit den 1990er Jahren existiert eine unabhängige Theaterszene in Ägypten, die allerdings stark von internationaler Finanzierung abhängt. Während der Revolution haben alle auf eine Änderung gehofft, aber genau das Gegenteil ist passiert: Mehr und mehr versucht die Armee, absolute Kontrolle über die Kultur- und Medienbranche zu bekommen. Mittlerweile produziere ich nicht mehr in Ägypten, weil es nicht nur für mich gefährlich ist, sondern auch weil die Sicherheit der Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, nicht gewährleistet ist. Seitdem vermehrt Leute aufgrund von Theaterstücken, Musikvideos, Karikaturen oder auch nur Witzen bei Facebook verhaftet wurden, habe ich die Entscheidung getroffen, momentan nicht mehr in Kairo zu produzieren.

Fr/Sa 29./30.01.2021 Laila Soliman (EG), Performance

Produktion produktionsDOCK in Koproduktion mit Festival Theaterformen 2020, Kaserne Basel und Theater Bremen. Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.