Gesichter in HELLERAU – Janka Dold, Leitung Residenzprogramm
Seit wann arbeitest du in HELLERAU und was sind deine Aufgaben?
Ich arbeite seit Herbst 2022 in HELLERAU als Teil des Programmteams und leite das internationale Residenzprogramm, das neben den Gastspielen und Koproduktionen eine wichtige Säule unserer Arbeit ist. Durch die Apartments und Probestudios auf unserem Gelände können wir Künstler*innen und Gruppen aus den Bereichen Tanz, Performance, Theater, Musik und Medienkunst längere Rechercheprozesse ermöglichen. Sie können also bei uns performativ recherchieren und künstlerisch experimentieren, um herauszufinden wo ein Projekt hinführen kann. Oder sie arbeiten ganz konkret an einer bestimmten Arbeitsetappe eines Projektes.
Ich leite das Programm kuratorisch, koordinatorisch und dramaturgisch. In Abstimmung mit dem Programmteam schreibe ich Open Calls aus, wähle Künstler*innen aus, entwickle thematische Projekte, beantrage zusätzliche Förderungen und bin in engem Kontakt mit internationalen Partner*innen. Ein zentraler Teil meiner Arbeit ist dabei die Arbeit mit den Künstler*innen selbst. Ich verknüpfe sie untereinander und mit der lokalen Szene und unterstütze sie dramaturgisch durch Feedbackgespräche. Dabei ist mir Artist Care sehr wichtig. Künstler*innen kommen aus ganz unterschiedlichen internationalen Kontexten zu uns. Es ist unerlässlich, auf Bedürfnisse zu achten, auf Fragen zu reagieren und mit aufkommenden Themen flexibel umzugehen. Mir ist es wichtig, den Druck aus Arbeitsprozessen rauszunehmen. Es geht bei Residenzen nicht darum, am Ende eine fertige Produktion vor großem Publikum zu zeigen, sondern Themen und Ästhetiken zu bearbeiten und den Prozess zu unterstützen. Die künstlerische Forschungsarbeit ist vergleichbar mit wissenschaftlicher Forschung. Da kann auch mal etwas nicht funktionieren, dann macht man an einer anderen Stelle weiter. Das ist das Schöne an der kreativen Arbeit: nicht immer zu wissen, was eigentlich passieren und entstehen kann. Die Utopie des Residenzprogramms ist, dass sich verschiedene Künstler*innen kennenlernen, vernetzen und in der Arbeit zusammenkommen. Dafür organisieren wir kollektiven Austausch, gemeinsame Vorstellungsbesuche und Open Studios, in denen die Künstler*innen ihre Arbeitsprozesse im halböffentlichen Rahmen zeigen.
Warum sind die Residenzen für die Künstler*innen so wichtig?
Bei Residenzen geht es oft um ergebnisoffenes Arbeiten, um Arbeitsprozesse, das Herantasten an neue Themen, Vernetzung und Perspektivwechsel. Residenzen unterstützen die Anfänge einer Arbeit oder längere Rechercheprozesse. Das reicht natürlich nicht für die gesamte Entwicklung und Produktion einer künstlerischen Arbeit, ist aber ein wichtiger Teil, um Projekte von Beginn an mit finanziellen Mitteln und Ressourcen auszustatten, bevor Proben und Produktionsphasen beginnen können. Teilweise forschen Künstler*innen auch über einen langen Zeitraum performativ an Themen, ohne ein Bühnenstück als Ergebnis im Blick zu haben. Die Recherchen können beispielsweise in Workshops und Gesprächsformaten Teil von einem Diskurs werden und wichtige Impulse auslösen.
Was waren besondere Erlebnisse oder Herausforderungen für dich in HELLERAU?
Das EU-Projekt „Moving Identities“ ist in der internationalen Zusammenarbeit sehr interessant, aber auch herausfordernd. Wir arbeiten mit sechs europäischen Partner*innen für drei Jahre zusammen. Schön an diesem Projekt ist, dass die Künstler*innen auf die Reise geschickt werden und in verschiedenen Kontexten recherchieren. Ich reise für die Projektentwicklung auch an die verschiedenen Residenzorte, sodass wir Kolleg*innen uns im Projekt gut kennenlernen und nachhaltige Beziehungen entstehen. Die sind auch für HELLERAU wichtig, für eine internationale Vernetzung, um Künstler*innen kennenzulernen und mit neuen Themen in Berührung zu kommen.
Was wünschst du HELLERAU für die Zukunft?
Generell wünsche ich mir bessere Förderstrukturen für Künstler*innen und Institutionen wie HELLERAU, weil auch Produktionsorte, die sich für die freie Szene verantwortlich fühlen, von den Förderstrukturen abhängig sind. Ich wünsche mir noch mehr Austausch mit dem Dresdner Publikum. Internationales Arbeiten und Leben ist so wichtig für uns alle, Perspektivwechsel, Kontexte und Begegnungen mit Menschen und Themen prägen die künstlerische Arbeit und sind auch essenziell für eine diverse Stadtgesellschaft.
Das Gespräch führten Helene Lindicke und Henriette Roth