raster. soundtrack europe 20—25

Electronic Music Selection

2024/25 Musik

Europa ist seit über einem Jahrhundert Labor und Vordenker der elektronischen Avantgarde-Musik. Per Open Call hat das international agierende Label raster. media neue, mutige Konzepte und Kompositionen gesucht. Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 werden ausgewählte Projekte des „raster. soundtrack europe 20—25“ am 21. Februar 2025 erstmals in HELLERAU auf mehreren Floors präsentiert. Begleitet wird das Programm durch eine Auswahl herausragender aktueller Musikvideos unter dem Titel „Moral Support“ – zusammengestellt durch des FILMFEST DRESDEN –, die auf außergewöhnliche Art und Weise Musik mit Filmkunst kombinieren.

Im Line-up finden sich spannende Künstler*innen des Open Calls wie die estnische Sängerin und Komponistin Maarja Nuut, der Dresdner Elektro-Künstler Alwin Weber, die audiovisuelle Künstlerin Camilla Pisani aus Rom und der ungarische Musiker Gábor Lázár, der 2024 sein Album „REFLEX“ auf raster. media veröffentlicht hat. Abgerundet wird das Programm durch die experimentelle Klangforscherin Amelie Duchow und den italienischen Soundkünstler Simone Sims Longo, die beide mit immersiven, multimedialen Performances neue klangliche Räume erschaffen.

Maarja Nuut bewegt sich an der Schnittstelle zwischen experimenteller Elektronik und der baltischen Folk-Tradition. Ihre Kompositionen verweben hypnotische Violinenklänge, flüsternde Stimmen und field recordings zu einer atmosphärischen Dichte, die den Moment aufzulösen scheint. Ihre Musik lädt dazu ein, in einen Zustand tiefer Kontemplation einzutauchen – ein immerwährendes Jetzt, in dem improvisierte Sounds und uralte Melodien gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Alwin Weber bringt mit seinem kompromisslosen Sound einen Hauch von Punk nach HELLERAU. Verzerrte Klänge, krachende Beats und wilde Improvisationen kennzeichnen seine Performance, die sich fernab akademischer Strenge bewegt. Mit spürbarer Hingabe erschafft er eine rohe, energiegeladene Soundwelt – eine Hommage an das Experimentieren und den puren Moment der Klangentfaltung. Für „raster. soundtrack europe 20—25“ hat er eine spezielle audiovisuelle Performance vorbereitet: Drones, Glitches and Grains. Dafür kombiniert er elektroakustische, analoge und digitale Instrumente zu einem faszinierenden Klangerlebnis.

Gábor Lázár ist bekannt für seine präzise destillierten, kinetischen Soundstrukturen. In seinen Werken, die an die mathematische Klarheit seines ehemaligen Kollaborateurs Mark Fell erinnern, verdichten sich repetitive Patterns zu vibrierenden, fast physischen Klangkörpern. Sein neuestes Album „REFLEX“ ist ein pulsierendes Labyrinth aus verzerrten Frequenzen und radikaler Club-Ästhetik, das in HELLERAU seine volle Wirkung entfalten wird.

Camilla Pisani verbindet dunkle, fast rituelle Klanglandschaften mit visuellen Elementen zu einem synästhetischen Gesamterlebnis. Zwischen Drone, Dark Ambient und industriellen Rhythmen erschafft sie atmosphärisch dichte Kompositionen, die den Zuhörer in tranceartige Zustände versetzen. Ihr Track „Serotonin Tribe“ ist ein pulsierendes Ritual – eine kathartische, rohe Energie, die durch hypnotische Rhythmen eine Reise ins Unbewusste eröffnet.

Simone Sims Longo erforscht in seiner Arbeit die feinen Nuancen digitaler Klangerzeugung und die räumliche Wirkung von Sound. Seine Live-Performance Paesaggi integrati verbindet elektroakustische Texturen mit technoiden Rhythmen und Lichtprojektionen, die die Wahrnehmung des Raumes verändern. Durch den Einsatz von Mehrkanal-Sound und visuellen Elementen schafft er immersive Klangwelten, die den Zuhörer in einen Zustand auditiver Schärfung versetzen.

Amelie Duchow präsentiert in HELLERAU ihr Projekt „Logos Mater“, das tief in den Bereichen experimenteller Elektronik und audiovisueller Performance verwurzelt ist. Ihre Arbeiten verbinden organische und synthetische Klänge zu dichten, vielschichtigen Soundscapes, die mit visuellen Impulsen verschmelzen. Dabei entstehen atmosphärische Narrative, die zwischen Traum und Realität changieren – ein Spiel mit Wahrnehmung und Emotion.

Dauer: ca. 4 Std.
Mit: Gábor Lázár, Camilla Pisani, Alwin Weber, Maarja Nuut, Simone Sims Longo, Amelie Duchow

Mehr Informationen zu „raster. soundtrack europe 20—25“ finden Sie hier.

Soundtrack Europe 20-25 ist ein Projekt im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025. Diese Maßnahme wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes und aus Bundesmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch Mittel der Stadt Chemnitz.

Mehr zum Rahmenprogramm

Das klassische Musikfernsehen führt bestenfalls noch eine zombiehafte Existenz, das Musivideo lebt aber auf der großen Leinwand fort. Das FILMFEST DRESDEN bringt an sechs Festivaltagen die besten Kurzfilme aus aller Welt nach Dresden und zieht damit jährlich bis zu 20.000 Besucher*innen an. Das Festival, das zu den größten und wichtigsten Kurzfilmfestivals in Deutschland zählt, feiert den Kurzfilm in all seinen Facetten; auch die Kunstform des Musikvideos findet in Sonderprogrammen und Wettbewerben immer wieder seinen Platz.

Seit mehr als 20 Jahren wird zudem im Rahmen des Festivals der musikalisch und klanglich interessanteste Wettbewerbsbeitrag ausgezeichnet. Der Filmpreis, der heute „Goldener Reiter Filmton“ heißt, wurde in der Vergangenheit auch in Zusammenarbeit mit HELLERAU verliehen. Wie im vergangenen Jahr haben die Kurator*innen des Filmfest Dresden exklusiv für HELLERAU eine Auswahl herausragender aktueller Videos zusammengestellt. Mit diesem Programm europäischer Musikvideos wird der Countdown für das 37. FILMFEST DRESDEN eingeläutet, das zwischen dem 8. und 13. April stattfindet. Das Festival steht unter dem Schwerpunkt Solidarität. Angesichts der Ängste um die Zukunft, die sich in der Kulturszene aufgrund der drastischen Etatkürzungen breitmachen, ist Solidarität essenziell. Benötigt werden „Moral Support“ – so der Titel des Programms – aber auch gemeinsames Engagement, Vernetzung und gegenseitige Unterstützung.

Nur so können kulturelle Vielfalt und freie Kunst in diesen Krisenzeiten erhalten bleiben. Das Krisengefühl, Kritik am Neoliberalismus und Populismus aber auch die erneuernde Kraft des Zusammenhalts ziehen sich als Themen durch das Programm. Umgesetzt sind die Videos als Animation, Realfilm oder Found Footage-Kompilation. Immer wieder überschreiten sie auch die Grenze zum narrativen Spielfilm. Wir sehen Sandra Hüller als müde Superheldin, Jugendliche und die vor einer ungewissen Zukunft stehen und feiern, als ob es das erste und letzte Mal wäre. Wir laden zum Träumen ein. Die Traumwelten sind jedoch fragil, sind bedroht und können jederzeit zerplatzen. Wir müssen auf uns achtgeben.

– Sandra Stränsch, Sven Pötting (FILMFEST DRESDEN)

Mehr zu den Künstler*innen

Camilla Pisani ist eine audiovisuelle Künstlerin mit Sitz in Rom. Fasziniert vom Wagnerschen Konzept der „Totalen Kunst“, das später von Kandinsky aufgegriffen wurde, und von der kognitiven Kraft der „Synästhesie“, sucht sie nach der Interaktion zwischen Raum, Klängen und abstrakten grafischen Zeichen. Ihre Musik ist ein Hybrid, der sich in einer Reihe von Einflüssen bewegt: Dark Ambient, Drone, Soundscape, Soft Noise, Industrial und Minimal Electronic. Sie komponiert Feldaufnahmen, schwebende Atmosphären und hypnotische Texturen, die von konkreten Rhythmen geprägt sind. Ihre künstlerische Praxis konzentriert sich auf klangliche und emotionale Intensität.

@bokeh_wave Soundcloud YouTube

Simone Sims Longo ist ein Klangkünstler, dessen Arbeit die Komposition elektronischer Musik, Sounddesign und Multimedia umfasst. Sein kreatives Schaffen konzentriert sich auf den digitalen Bereich des Klangs, wobei der Schwerpunkt auf Klangfarbe und Textur liegt. Indem er Klangsynthese und Sampling miteinander verbindet, erforscht er in seinen Kompositionen komplexe Polyrhythmen und Phasenverschiebungen durch das iterative Übereinanderschichten von Samples. Longo beschäftigt sich in seiner Arbeit auch mit Raumklang, indem er Mehrkanal-Lautsprecher zur Interaktion mit architektonischen Räumen einsetzt und den natürlichen Nachhall sowie die akustischen Eigenschaften verschiedener Materialien untersucht. Bei Live-Performances integriert er Klang mit visuellen Elementen wie Licht und Video und schafft so eindringliche Erlebnisse, die die Wahrnehmung des Zuhörers für das audiovisuelle Zusammenspiel verstärken.

@simonesimslongo  Soundcloud YouTube

Maarja Nuut ist eine Sängerin, Violinistin, Elektronikkünstlerin und Komponistin, die klassische Ausbildung mit verschiedensten musikalischen Einflüssen verbindet. Sie studierte Hindustani-Klassik in Neu-Delhi, erforschte estnische Archive und Tanztraditionen und experimentiert mit Looping sowie elektronischen Klängen. Getrieben von Neugier und Instinkt, verbindet sie unterschiedliche musikalische Welten zu einer einzigartigen, hypnotischen Klangkunst. Ihre Musik schöpft aus Mythen und Vergangenheit, um Verbindungen zur Gegenwart und gesellschaftlichen Umbrüchen zu ziehen. Seit ihrem Soloalbum Une Meeles (2016) erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen und tourte weltweit. Ihr drittes Album Hinged (2021) festigte ihren Ruf als eine der innovativsten Musiker*innen Europas. 

@maarjanuut  Soundcloud YouTube

Gábor Lázár ist ein ungarischer Künstler, der elektronische Musik an der Schnittstelle von Clubmusik, Musiktechnologie und Computermusikästhetik erforscht. Seine Werke basieren auf selbstentwickelten Software-Instrumenten und einzigartigen Musiksystemen. In den letzten zehn Jahren veröffentlichte er neun Alben, darunter Kollaborationen mit Mark Fell und Russell Haswell, und prägte seinen eigenen Stil. Er arbeitete mit Labels wie Raster-media, Planet Mu und The Death of Rave zusammen. Lázár trat weltweit bei renommierten Festivals und in bekannten Veranstaltungsorten auf, darunter Mutek, CTM Festival, Berlin Atonal und Unsound. Seine Alben und Live-Auftritte gelten als wegweisend für die elektronische Musik. 

@gabor.lazar  Soundcloud  YouTube

Alwin Weber aka „StöRenFrieD“ ist ein Dresdner Musiker, Multimediakünstler und Veranstalter. Seit über 20 Jahren erschafft der studierte Audioingenieur einzigartige Klangwelten an der Schnittstelle von Noise, elektronischer Musik und Klangexperimenten. Seine improvisationsreichen Performances laden das Publikum ein, die Grenzen von Musik und Geräusch neu zu entdecken. Er hat mit zahlreichen Künstler*innen in verschiedenen Projekten und Bands zusammengearbeitet und weltweit auf Festivals gespielt. Seit 2011 organisiert er das „CircuitControl – Lötspektakel“ in Dresden und gibt seit 2009 internationale Workshops zu DIY-Elektronik, CircuitBending und Sounddesign.

@alwinweber_circuitcircle  Soundcloud  YouTube 

Die deutsche audiovisuelle Künstlerin Amelie Duchow erforscht das Zusammenspiel von Klang, Raum, Bild und Form. Ihre Werke wurden international ausgestellt, darunter im Design Museum London und auf Festivals wie Mutek und LEV. Seit 2007 arbeitet sie mit Marco Monfardini als SCHNITT an audiovisuellen Projekten und innovativer Software. Gemeinsam gründeten sie das Label Sync und die Plattform EXTRAsync. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählen TONSTICH, SCANAUDIENCE und WHITE BALANCE. 2023 präsentierte SCHNITT mit Gianluca Sibaldi die Installation SCANSCAPE beim ACT Festival in Südkorea.

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