Interview mit Jule Oeft/JuWie Dance Company zur Premiere von „Rapid Cycling – Das bildest du dir nur ein“, #2 – 2019

Weshalb ist euch das Thema der bipolaren Störung so wichtig? 

Wir sind durch eine betroffene Person im persönlichen Umfeld auf das Thema aufmerksam geworden. Aus diesem Grund haben wir uns dann näher damit beschäftigt. Dabei ist uns bewusst geworden, was für eine Tragweite diese Erkrankung hat, sowohl für eine betroffene Person als auch für die Gesellschaft. Sie gehört zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in Deutschland. Studien zufolge leiden bis zu 5% der Bevölkerung an einer affektiven bipolaren Störung. Es gibt wenig Aufklärung über diese Erkrankung. Oft leiden Menschen Jahre lang ohne Hilfe zu bekommen oder selbst nach Hilfe zu suchen. Und oft steht ihnen die Stigmatisierung der Krankheit für eine rechtzeitige Diagnose im Weg. 

„Rapid Cycling“ – Worauf spielt dieser Titel an? 

„Rapid Cycling“ ist eine Form der affektiven bipolaren Störung. Dabei wechseln sich die Phasen Manie/Hypomanie und Depression rascher und in kürzeren Abständen ab. Da wir innerhalb des Stückes mehrere Phasen darstellen, wirkt es auf den Zuschauer wie „Rapid Cycling“. 

Wie wichtig ist es euch, das Publikum für das Thema zu sensibilisieren? Was erhofft ihr euch für Rückmeldungen? 

Unser Hauptanliegen ist es auf jeden Fall, die Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen und damit auch zu sensibilisieren. Wir glauben daran, dass man darüber sprechen muss. Es hat eine gesellschaftliche Relevanz, und das Reden darüber trägt dazu bei, ein Stigma zu überwinden. Welche Rückmeldungen wir erhoffen, finde ich persönlich schwierig zu sagen. Natürlich wünscht man sich positive Reaktionen. Vielleicht kommen wir mit Betroffenen oder Angehörigen in einen Austausch. Das wäre schön. 

Kann Tanz betroffenen Personen weiterhelfen? 

Es gibt viele Strategien für Betroffene ihren Phasen vorzubeugen, dazu zählen auch Bewegung bzw. Sport. Tanzen kann also für manche eine gute Therapie sein, wenn es darum geht, mal Energie rauszulassen oder auf eine andere Art seinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen. Viele Betroffene sind in ihren manischen oder hypomanischen Phasen kreativer und nutzen den Tanz oder andere Kunstformen, um sich auszudrücken. 

Welche stilistischen, künstlerischen Mittel nutzt ihr, um den Zuschauer*innen eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie sich Menschen mit bipolaren Störungen fühlen? 

Das zentrale künstlerische Element ist eine Bewegungssprache, der Tanz, welche gleichzeitig auf zwei Ebenen stattfindet. Das können sowohl extreme Pole sein als auch die innere und äußere Perspektive der dargestellten Person. Das wird durch Videoprojektionen realisiert. Ich nutze die Möglichkeiten des Tanz- und Objekttheaters, um die Bandbreite der Krankheit darzustellen. Die Arbeit mit elektronischer Live-Musik ist ein wichtiger Teil des Stückes. Dazu wird es begleitend eine kleine Ausstellung mit Interviews und interaktiven Objekten geben.