Produktionshandbuch „Join“, #2025 – 1

Die Frage nach den „Grenzen des Wachstums“ beschäftigt uns – wenn wir den gleichnamigen Report des Club of Rome von 1972 als einen wesentlichen Anstoß annehmen wollen – nun schon über 50 Jahre. Das ist mehr als ein durchschnittliches Berufsleben dauert. Gleichzeitig leben wir im Bewusstsein von unglaublichen Möglichkeiten, Verfügbarkeiten, Beschleunigung und eben – Wachstum. Angesichts dieses Widerspruchs unserer Zeit und vor dem Hintergrund der globalen Klima- und Transformationskrisen scheint es uns höchste Zeit, sich nicht nur diskursiv, sondern auch ganz praktisch mit Nachhaltigkeit zu befassen – auch im Kulturbetrieb.

HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste versteht es als Teil seines künstlerischen Auftrags, einen kritischen Beitrag zur Debatte zu leisten. In diesem Sinne zeigen wir hier in Dresden Kunst aus aller Welt und setzen die uns verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen ein, dies so umfassend wie möglich zu tun. Aber ist unsere Arbeit so nachhaltig wie es möglich und notwendig wäre? Was ist leicht zu verändern? Was wird uns schwerer fallen, wenn wir es anders machen? Was können wir selbst tun? Wo sind Andere in der Verantwortung und ist es unsere Aufgabe, sie an diese Verantwortung zu erinnern? Wie können wir die Produktionsweisen unserer künstlerischen Partner*innen hinterfragen, ohne ihre Kunst infrage zu stellen? Wo erhalten wir neue Denkanstöße? Wir wollen nicht fragen, ob es geht. Unsere Frage ist: Wie geht es?

Seit einigen Jahren arbeiten wir in HELLERAU kontinuierlich daran, ökologische Nachhaltigkeit als festen Bestandteil unserer Kultur- und Produktionspraxis zu etablieren. Damit sind wir glücklicherweise nicht allein: Als Mitglied der Dresdner Charta für Nachhaltigkeit setzen wir gemeinsam mit vielen Kulturinstitutionen in der Stadt das Zeichen, dass wir Verantwortung übernehmen wollen. Nicht nur im Sprechen über die Herausforderungen, die vor uns liegen, sondern auch im konkreten Handeln. Wir wissen, dass wir unsere Häuser nachhaltiger betreiben könnten, Strom sparen und selbstverständlich mit dem Zug reisen. Daran arbeiten wir. Und auf der Bühne? „Zero“ – das Förderprogramm der Kulturstiftung des Bundes [Martin Heering] Kaufmännischer Direktor für klimaneutrale Kulturproduktion hat uns die Möglichkeit gegeben, neue Wege dort zu gehen, wo unser Herz schlägt und wo wir deshalb allzu oft geneigt sind, die Vernunft sausen zu lassen: auf der Bühne!

Gemeinsam mit unserer langjährigen Partnerin, der Dresden Frankfurt Dance Company, haben wir uns vorgenommen, die Ko-produktion „Join“ als Modellvorhaben zu verstehen, in dem wir eine opulente Produktion in Operngröße und höchstem künstlerischen Anspruch verbinden mit überregionalem / internationalem Touring und ökologischer Verantwortung. Denn diese drei Dimensionen prägen unsere Zusammenarbeit und sind der Kern eines internationalen Produktionshauses der Zukunft.

Dieses Handbuch dokumentiert unseren gemeinsamen Weg: von den ersten Überlegungen über die Umsetzung bis hin zu den gewonnenen und übertragbaren Erkenntnissen. Es bietet Einblicke in die unterschiedlichen Perspektiven und Arbeitsbereiche der Beteiligten und zeigt unsere Ansätze zur Verringerung des CO₂-Fußabdrucks. Uns war von vornherein klar: der Lernprozess zu nachhaltigerem Produzieren würde weder einfach noch gradlinig sein. Doch es war häufig noch komplizierter als wir annahmen: Die Produktion von „Join“ erforderte ein Umdenken und eine intensive Auseinandersetzung mit bestehenden Routinen und Verfügbarkeiten. Wir haben gelernt: Es gibt noch viel zu lernen.

Mit dieser Dokumentation möchten wir dazu einen Startpunkt setzen und unseren Freund*innen, Partner*innen und koproduzierenden Künstler*innen die konkreten Fragen, Instrumente und (vorläufigen) Antworten überreichen, die wir während der Arbeit an „Join“ gefunden haben. Das verbinden wir mit einer Bitte: Lasst uns gemeinsam an neuen Wegen für eine bessere und nachhaltigere Veranstaltungs- und Kunstproduktion in HELLERAU arbeiten. Gemeinsam möchten wir ökologische Nachhaltigkeit in einem offenen Austausch auch in Zukunft weiterhin erforschen.

HELLERAU dankt dem gesamten Projektteam und allen, die sich in Dresden und Frankfurt / M. an der Realisierung von „Join“ und an neuen Wegen der Produktion konzeptionell, praktisch, künstlerisch beteiligt haben. Der Kulturstiftung des Bundes danken wir nicht nur für die Förderung unseres Vorhabens, sondern insbesondere auch für einen wunderbaren begleitenden Akademie-Prozess, der uns geholfen hat, Neuland zu betreten und uns mit zahlreichen gleichgesinnten Partnern vernetzt hat. Nachhaltigkeit ist möglich – in einem guten Team

Vorwort geschrieben von Martin Heering (Kaufmännischer Direktor HELLERAU)

Production Manual Join