Serie Deutschland

Hofmann&Lindholm (DE)

Einlass jederzeit

Seit 2008 re-inszenieren Hofmann&Lindholm Fotografien, die aufgrund ihrer medialen Verbreitung das Bildgedächtnis der Deutschen nachhaltig geprägt haben. Dabei handelt es sich um Ereignisse nach 1945 wie beispielsweise die Unterzeichnung des Grundgesetzes durch Konrad Adenauer (1949), die Entführung Hanns-Martin Schleyers durch die RAF (1977) oder das „Gladbecker Geiseldrama“ (1988). Jeweils vier gleichstarke Personengruppen greifen ein bestimmtes Motiv an seinem Entstehungsort auf.

Als würde der Schein der Bildoberflächen trügen, wird die Fotografie als Schlüsselbild minutiös in Handlung – und damit in eine filmisch-kontinuierliche Beziehungsbildung aller sichtbaren Ebenen – rückübersetzt. Hiermit fordern Hofmann&Lindholm nicht allein zur Haltungsfindung auf: Indem sie die Referenzbilder als Handlungsanweisungen begreifen, laden sie Beteiligte und Rezipierende gleichermaßen dazu ein, sich ins Verhältnis zu setzen und thematisieren die Relation zwischen Einzelnem und sozialer Rolle in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Es handelt sich um die exemplarische Umsetzung einer konzeptuellen Strategie: der inszenierten Re-Lektüre.

Das Regie- und Autorenteam Hofmann&Lindholm realisiert seit 2000 Projekte an den Schnittstellen von szenischer, bildender und akustischer Kunst. Ihre konzeptuellen Arbeiten setzen sich mit gesellschaftlichen Phänomenen auseinander und erkunden neue Erzählweisen, Bildsprachen und Formate.

Vorführen und Verführen. Transkript, 2011
Einbildung, Täuschung, Realität. Zur imaginativen Komponente der Fotografie
„Hofmann&Lindholm veranschaulichen die performative Dimension der Fotografie, indem sie die Mittel des Theaters sowie des Films einsetzen und auf diese Weise den unverfügbaren Augenblick des fotografischen Aktes (qua Festhalten eines außerbildlichen Hic-et-nunc-Zustandes) als abhängige Variable des medialen Arrangements darstellen. Damit problematisieren sie Theorien, die die indexikalische Leistung der Fotografie an den einzigartigen Moment binden, in dem der Auslöser des Apparates betätigt und das Negativ belichtet wird.“
Lutz Ellrich

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. April 2012
Gestohlene Stemperl, verschlossene Türen
„Die Sorgfalt, mit der die Laien sich hineintasten in ihre Rollen, wie sie aus den friedlichsten Verrichtungen hinüberrutschen in die Pathosformel, an der etwas Beiläufiges hängenbleibt aus dieser alternativen Vorgeschichte – das hat etwas Anrührendes. […] Das Experiment von Hofmann&Lindholm zeigt, dass es eben doch sprechende Gesten gibt, die zu Erinnerungsträgern werden und in ähnlicher Weise einen historischen Schauplatz heraufbeschwören wie Demands Tatorte die flüchtigen Täter. Nicht Optik und Hirnforschung allein können erklären, wie das Bildgedächtnis funktioniert, das wir uns als ein Vermögen des ganzen Körpers vorstellen müssen. Wie machen dann Bilder Geschichte? Indem sie Bewegungsabläufe fixieren, in die man wie von selbst wieder hineinfindet.“
Patrick Bahners