+++ Verschoben auf 08.01. +++

BLACKBOX II – Enno Poppe: Rundfunk – Enno Poppe/ensemble mosaik (DE)

Musik

Aufgrund der aktuellen COVID-19-Maßnahmen wurde das Konzert auf den 08.01.2021 verschoben.
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Komponieren heißt für Enno Poppe: auseinandernehmen. In „Rundfunk“ dekonstruiert er historische Klänge aus den 60er- und 70er-Jahren wie FM-Synthese, Minimoog oder Schweineorgel und setzt sie mit ensemble mosaik neu zusammen.

„Komponieren heißt auseinandernehmen. In RUNDFUNK nehme ich historische Klänge, keine historischen Instrumente. Als Instrumentarium werden neun Computer und neun Keyboards verwendet. Der Klang wird dekonstruiert und neu zusammengebaut. Das Stück besteht aus tausenden von Atomen. Die Musik ist analytisch-emphatisch. Sie wird im Labor zusammengesetzt. Beim Komponieren habe ich einen weißen Kittel an. In dem Moment, wo ich nicht mehr verstehe, was geschieht, entsteht Kunst. Die Schönheit liegt in der Überforderung.“ – Enno Poppe

„In den wilden 55 Minuten geht es klanglich in irrwitzige Höhen und Tiefen. Wer das Stück dank seiner europaweiten Festivaltournee häufiger gehört hat, durfte sich über ein stets eingegroovteres Spiel des Ensembles freuen – eine angenehme Abwechslung bei dem oft nicht über die Uraufführung hinausgehenden Neue-Musik-Betrieb.“ – Katja Heldt, positionen, Mai 2019

Werkkommentar „Rundfunk“

Ohne den Rundfunk gäbe es die Neue Musik in ihrer heutigen Form nicht. Gerade die Erfindung und Entwicklung der elektronischen Musik in den Studios der Sendeanstalten gehört zu den Sternstunden eines Mediums, das etwas über seine eigenen Möglichkeiten und Bedingungen herausfinden wollte und sich dazu Institute zur Grundlagenforschung geleistet hat. Die Idee eines sendereigenen, gebührenfinanzierten Max-Planck-Instituts ist heute kaum vorstellbar, so sehr hat sich die Auffassung vom Radio gewandelt, hin zu einem Tagesbegleitmedium.

Im Bereich der elektronischen Musik gibt es seit Jahrzehnten eine rasende technische Entwicklung. Genau so schnell ist das Tempo des Verschwindens. Ältere Werke können oft nicht aufgeführt werden, weil die Technologien fehlen oder nicht mehr funktionieren, oder man weiß schlicht nicht mehr, wie es vor 25 Jahren gemacht wurde. Dadurch, dass immer nur die aktuelle Technologie funktioniert, wird die Klangästhetik immer extrem zeitbezogen. Popmusik kann auf diese Weise exakt datiert werden: durch ein bestimmtes Preset des DX-7 etwa oder ein Software-Tool.

Komponieren heißt auseinandernehmen. In Rundfunk für neun Synthesizer nehme ich historische Klänge, keine historischen Instrumente. Als Instrumentarium werden neun Computer und neun Keyboards verwendet. Die Klänge kommen aus den sechziger und siebziger Jahren: FM-Synthese, Minimoog und Schweineorgel. Die Pioniere sind Gottfried Michael Koenig, Thomas Kessler, John Chowning, Wendy Carlos und Tangerine Dream. Dadurch dass keine Originalinstrumente, sondern am Computer generierte Nachbauten verwendet werden, klingt alles anders als damals. Dafür habe ich immer alle Klänge gleichzeitig zur Verfügung, kann beliebig viele Stimmen abspielen (der Minimoog konnte immer nur einen Ton auf einmal spielen), kann auch die Stimmung frei einstellen und ständig wechseln. Der Klang wird dekonstruiert und neu zusammengebaut. Die Spieler sind übrigens keine Keyboardvirtuosen, sondern Virtuosen im Umgang mit elektronischen Klängen.

Das Stück besteht aus tausenden von Atomen. Die Musik ist analytisch-emphatisch. Sie wird im Labor zusammengesetzt, beim Komponieren habe ich einen weißen Kittel an. Aber ein Konzert ist kein Experiment. In dem Moment, wo ich nicht mehr verstehe, was geschieht, entsteht Kunst. Die Schönheit liegt in der Überforderung.

(Enno Poppe)

Das ensemble mosaik hat sich seit seiner Gründung 1997 als besonders vielseitige und experimentierfreudige Formation zu einem renommierten Ensemble für zeitgenössische Musik entwickelt. Seine Mitglieder zeichnen sich nicht nur durch ihre instrumentalen Fähigkeiten, sondern auch durch ihre kreative Individualität und Experimentierfreude aus. In langjähriger Zusammenarbeit haben sie einen profilierten Klangkörper geschaffen, der auf höchstem künstlerischen Niveau Offenheit gegenüber verschiedensten Konzeptionen zeitgenössischer Musik beweist.

Die Aktivitäten des Ensembles sind geprägt von der engen Zusammenarbeit mit NachwuchskomponistInnen und der Einbindung digitaler Medien in den Bereichen Komposition, Interpretation und Präsentation. Bevorzugt wird dabei eine egalitäre Arbeitsweise im Austausch mit allen an einem Konzertprojekt beteiligten AkteurInnen. Durch die Öffnung von Arbeitsprozessen wird Kreativität gebündelt und intensiviert. Mit vielen KomponistInnen arbeitet das ensemble mosaik seit Jahren kontinuierlich zusammen und ermöglicht so, Musik über lange Zeiträume hinweg in einem gemeinschaftlichen Prozess zu entwickeln.

Ein besonderer Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit liegt in der Auseinandersetzung mit neuen Ansätzen der Aufführungspraxis, beispielsweise durch die Einbindung szenischer und visueller Elemente, und der Erprobung neuer Konzertformate, die einzelne Werke im Kontext eines Gesamtzusammenhangs reflektieren, aktuelle Strömungen fokussieren und neue Perspektiven erproben. In Kooperationen mit KünstlerInnen anderer Sparten oder Musikgenres werden die Konzerte selbst zur Experimentalanordnung.

Enno Poppe, geboren 1969 in Hemer/Sauerland. Studierte Dirigieren und Komposition in Berlin, u.a. bei Friedrich Goldmann und Gösta Neuwirth. Zahlreiche Preise und Stipendien. Weltweite Aufführungen seiner Werke. Als Dirigent international tätig.